Hallo Leisch!

Ich bin gerade dabei mir nach einer wirklich grossartigen Arbeit eine Tasse Tee (Earl Grey heiss) zu genemigen. Ich habe soeben über meiner Tür zwei Bretter für die von mir aus der Friedhofsgärtnerei georderten Grünpflanzen befestigt. (Nein ich bin nicht an der gallopierenden Rinder- seuche erkrankt.) Die Mittel dafür habe ich einfach aus dem Projekt "Regelung der Wachstumsparameter eines Gewächshauses mit Hilfe von Fuzzy-Pattern-Klassifikation" genommen. Wer da meint, dass ich der wissenschaftlichen Entwicklung schade, indem ich Ihr Geld entziehen würde, der irrt gewaltig. Meines Wissens nach ist das Gewächshaus in den letzten drei Jahren, seit dieses Projekt läuft noch um keinen halben Zentimeter gewachsen. Somit ist das Geld ohnehin für die Wissenschaft verloren. Die Bretter für die Pflanzen sind 4 cm dick und 5 cm breit. (Noch breitere Bretter kann ich aus Kostengründen leider nicht verantworten.) Selbstverständlich habe ich nur Hängepflanzen gekauft.
Somit ergeben sich zwei Vorteile:

Erstens kann niemand mehr von aussen erkennen, ob ich in meinem Zimmer bin oder nicht. (Bei uns am Institut sind die Zimmertüren der Mit- arbeiter leider verglast. Man kann zwar nicht hindurchsehen, aber am Schatten sehr wohl erkennen, ob sich jemand im Raum befindet oder auch nicht.)

Zum zweiten werden die Leute wenn sie schon die Unverschämtheit haben nicht anzuklopfen, mein Zimmer nur noch mit der gebotenen Vorsicht be- treten. (Zumindest nach einer gewissen Lernphase.)

Schon wieder scheppert es unter meinem Fenster. Was ist da denn schon wieder los? Kann man nicht einmal an einer Universität seinen philosophischen Gedanken nachhängen? Ich sehe aus dem Fenster und weiss, was los ist. Die Universität ist wieder einmal dabei sich von ihrem Müll zu trennen. Ich verändere meine Sitzposition so, dass ich hin und wieder den Kopf aus dem Fenster stecken kann und widme mich wieder meiner Arbeit, unseren Webserver umzukonfigurieren, da ich in Zukunft einen multi-homed Webserver benötige. Unser Webserver soll in Zukunft dann auch unter dem Namen http://www.datenautobahnpolizist.de erreichbar sein, auf welchem ich meinen Beitrag, zur Unterstützung unserer Bundesregierung und zur Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt zu leisten gedenke. Selbst- verständlich kostet mein Weiterbildungsangebot eine Kleinigkeit. Dafür sind die beruflichen Möglichkeiten der Auszubildenden nach dem erfolgreichen und mit einer entsprechenden Urkunde bescheinigten Abschluss enorm. Schliesslich gibt es bisher in ganz Deutschland erst ganz wenige Datenautobahnpolizisten. Die Domain datenautobahnpolizist.de habe ich im übrigen im Namen einer auf Verkehrstechnik spezialisierten Fakultät einer anderen Universität des Freistaates beantragt. Allerdings wissen die Leute dort noch gar nichts von ihrem Glück.

Da klingelt das Telefon. Ich lasse es fünfmal klingeln und hebe dann ab. (Schliesslich bin ich hier wirklich mit Arbeit überlastet.)
"Ja bitte."
"Es geht überhaupt nichts!"
(Ich liebe solche Leute ganz besonders. Das ist doch wirklich eine sehr klare und vor allem einfache Fehlerbeschreibung. Nun ja, da wollen wir doch einmal sehen, ob wir nicht etwas Nachhilfeunterricht geben können.)
"Oh das ist schlecht."
"Ja wirklich, wo ich doch den Bericht noch fertigschreiben muss."
"Liegt es am Papier?"
"Am Papier? Nein das kann nicht sein. Es ist genügend Papier vorhanden."
"Nun dann prüfen Sie doch bitte den Füllstandslevel im Schreibflüssigkeitstank."
"Wieso? He, ich will doch nicht drucken, sondern den Bericht fertig schreiben."
"Ja das weiss ich, aber Sie sollten trotzdem zunächst den Füllstandslevel im Schreibflüssigkeitstank überprüfen."
"Na gut, wenn Sie meinen. Was muss ich dazu tun?"
"Das ist ganz einfach. Sie nehmen den unteren Teil des Gerätes in die linke Hand und den oberen Teil in die rechte Hand."
(Er versucht es tatsächlich, wie ich über die Geräusche durch das Telefon mitbekommen kann.)
"Ja, und nun?"
"Nun drehen Sie den oberen Teil einfach entgegen der Uhrzeigerrichtung."
(Glücklicherweise baut die Firma HP doch recht solide Geräte.)
"Es geht nicht! Es geht wirklich nicht! Sind Sie sicher, dass man dazu kein Werkzeug benötigt."
"Nein, dazu benötigen Sie mit Sicherheit kein Werkzeug, aber wenn Sie das nicht schaffen, dann bringen Sie das Gerät einfach vorbei."
"Ja, das geht in Ordnung."
Zehn Minuten später klopft es und ich bitte den Besucher herein. Bumm - die erste Pflanze ist heruntergefallen. Er stöhnt vor Schmerzen, verkneift es sich aber zu fluchen. Wenigstens ist er gut erzogen. "Oh, das tut mir aber leid. Ich werde nachher gleich eine neue Pflanze in der Gärtnerei besorgen." Bringt er zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor. (Ich hätte wohl doch besser für eine Gewinnbeteiligung bei der Gärtnerei sorgen sollen.)
"Was wollen Sie mit dem Drucker hier! Bringen Sie den sofort zurück in den Pool!"
"Ja, aber Sie sagten doch, ich solle das Gerät einfach bei Ihnen vorbei bringen."
"Das sagte ich, aber ich meinte natürlich nicht den Drucker."
"Sondern?"
"Ihren Füllfederhalter!"
"Ja, aber ich wollte doch den Bericht mit dem Computer schreiben."
"Woher soll ich das wissen? Das haben Sie nicht gesagt. Also der Computer geht nicht?"
"Ja."
"Dann müssen wir ein Computerhardwarereparaturformular ausfüllen. Das geht ganz schnell. Ich bereite es für Sie vor. Sie müssen dann nur noch abzeichnen."
"Oh, vielen Dank. Ich bringe inzwischen den Drucker zurück."
Ich nehme also ein Computerhardwarereparaturformular aus der Schublade und fange an die defekten Teile anzukreuzen. Ich fange dabei bei Maus an und höre bei dem Netzteil auf. Nach ein paar Minuten ist der Hilfesuchende wieder zurück und ich lege ihm das Computerhardwarereparaturformular zum Abzeichnen vor.
"Aber das geht doch alles!"
"Wieso? Sagten Sie nicht, dass überhaupt nichts mehr geht?"
"Ja, aber ich meinte doch das Netzwerk. Ich komme nicht an den Server, wo meine Dateien liegen, nicht in's Web und nicht an meine E-Mail."
"Ach so, das Netzwerk funktioniert nicht mehr. Na da wollen wir doch gleich einmal nachsehen." (Ich bin heute wirklich sehr hilfbereit. Ich muss wohl einmal zum Arzt gehen. Wahrscheinlich bin ich krank.)
Und tatsächlich hat sich gestern, als ich einige kleine Änderungen an unserem Router vornehmen musste ein Fehler eingeschlichen. Offensichtlich habe ich zwei IP-Adressen verwechselt und dieser Glückspilz hat die Maschine erwischt, welche dadurch nicht mehr geroutet wird. Na gut, helfen wir ihm. Aber natürlich hat alles seinen Preis.
"Ja, ich sehe hier, woran es liegt."
"So, was ist es denn?"
"Sie haben ihre DFÜ-Steuer nicht bezahlt."
"Die was?"
"Die Datenfernübertragungssteuer."
"Davon habe ich ja noch nie etwas gehört. Was soll denn das sein?"
"Sie wissen aber schon, dass jetzt Rot-Grün in Bonn bzw. in Berlin regiert."
"Ja natürlich."
"Und von der Umweltsteuer haben Sie auch schon gehört."
"Ja, aber was hat das damit zu tun?"
"Nun die DFÜ-Steuer ist so etwas wie die Umweltsteuer für Netzwerke und jegliche andere Datenübertragung."
"Ja, aber bei der Datenübertragung wird doch die Umwelt überhaupt nicht belastet."
"So? Da haben Sie wohl in theoretischer Elektrotechnik nicht aufgepasst. Nun am besten ich rede noch einmal mit dem Professor. Sie wissen aber schon, dass sich um jeden Leiter, so er ein gegenuber seiner Umgebung unterschiedliches elektrisches Potential führt ein elektrisches Feld bildet?"
"Aber sicher weiss ich das." (Theoretischer Elektrotechnik ist für die meisten Studenten ein Fach in dem es um Schwarze Magie geht. Und erschwehrend kommt hinzu, dass eine erfolgreiche Prüfung die Voraussetzung für das Vordiplom ist.)
"So, dann wissen Sie ja sicher auch, dass der Stromfluss in einem Leiter zu einem magnetischen Feld führt und dass man mit Hilfe elektrischer und magnetischer Felder Energie übertragen kann."
"Natürlich."
Inzwischen habe ich mich mit Hilfe von Netscape zu den Homepages von einigen Radikal-Grünen von Bündnis 90/Die Grünen durchgehangelt.
"Na, dann ist Ihnen doch sicher auch klar, was in so einem - na sagen wir mal einem Vogel, der ja wie auch wir Menschen zu einem sehr grossen Teil aus Wasser besteht, ablaufen wird." Dabei zeige ich auf die WWW-Seite, in welcher dargelegt wird, dass der betroffene Vogel nicht nur einen neurologischen, sondern auch einen psychischen Schaden bekommt und daher sofortiger Behandlung durch einen Tierpsychiater bedarf. Er schaut auf den Bildschirm und nickt.
"Und deshalb ist die DFÜ-Steuer eingeführt worden." sage ich und ziehe einen Überweisungsvordruck einer Bank heraus, setze als Betrag 143,40 DM ein und die Kontonummer einer Luxenburger Briefkastenfirma ein, welche mehrheitlich mir gehört und ergänze den Zahlungsgrund "DFÜ-Steuer"
"So," sage ich "setzen Sie noch Ihren Namen ein und gehen Sie damit zu Ihrer Bank. Sie erhalten dann meist innerhalb von wenigen Tagen eine Bescheinigung des Finanzamtes über den Eingang Ihrer DFÜ-Steuer, welchen Sie mir dann bitte vorbei bringen, damit ich Sie wieder freischalten kann."
Er bedankt sich artig und geht.

Mit Hilfe von Gimp, LaTeX, einem alten Bescheid des Finanzamtes und unserem Scanner werde ich morgen ein sehr echt aussehendes Schreiben verfassen, welches ich Ihm dann zusenden werde. Die Adressen meiner Nutzer erfrage ich ohnehin bei Ihrer Anmeldung. Selbstverständlich wird der maschinell erstellte Bescheid keiner Stempel oder Unterschriften bedürfen.

Was macht der Container voller Schrott unter meinem Fenster? Verschiedene Aasgeier und Fledderhabichte umkreisen den Container und suchen nach verwertbaren Stücken. Sie beäugen alte Messgeräte, Drucker, Computer- teile und sonstige Hardware, scheinen aber wohl alle noch nicht so richtig auf den Geschmack gekommen zu sein. Dass werden wir gleich einmal ändern. Ich durchsuche meine Sammlung von Mailadressen, nach Informatik- Studenten und schreibe eine Mail an diese, dass die Universität wertvolle Computerhardware verschrotte.
Es dauert nicht lange und sie kommen. Auf den ersten Blick finden sie auch nicht viel, aber der mutigste von ihnen steigt in den Container und beginnt diesen regelrecht umzugraben. Eine dreiviertel Stunde später zieht er triumpfierend eine alte DEC-Station 5000/120 heraus. Ich mache ein paar Photos mit unserer Digitalkammera und stelle sie zu den anderen Bildern im WWW, welche die Studenten unserer Universität bei der wissenschaftlichen Arbeit zeigen. Da ich meinen Vier-Uhr Tee zu Hause zu nehmen pflege, packe ich meine Tasche und gehe.

Mit höllischen Grüssen



Bastard Administrator des Hades



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