"Nimm' mich! Nimm' mich! Nimm' mich!..." ächzt mein Telefon verführerisch,
und weil mir das synthetische Gestöhne auf den Wecker geht, hebe ich sogar ab.
"LIIIIIEBLING!" kreischt es mit 95 dB in mein Ohr. "Du bist ja sogar im BÜROOOO?!"
Alarmstufe Gelb
Gwendolin Rottweiler ist angebliche eine alte Studienkollegin von mir, obwohl ich mich beim besten Willen nicht daran erinnern kann und will. Trotz aller Bemühungen meinerseits ist sie seit Jahren davon überzeugt, dass wir 'liiert' seien. Sie hält sich selbst für unwiderstehlich, die meisten halten sie für unglaublich und bei mir läuft sie unter der Rubrik 'unverdaulich'.
"Hier ist die Zentrale der NASA Space Connection", sage ich mit übertriebenem amerikanischen Akzent. "Mit welchem Planeten wollen Sie sprechen?"
Das nützt aber nix. Gwendolin schaltet auf Schmollstufe 5:
"Liebling, du bist schon wieder garstig zu mir!" Erhöhung auf Schmollstufe 9: "Und überhaupt hast du deine kleine Gwendolin in letzter Zeit TOTAL vernachlässigt..."
"Wenn du mich noch einmal 'Liebling' nennst, lege ich sofort auf", sage ich sachlich. "Komm' zur Sache. Was gibts?"
"Du garstiger kleiner Junge, du! Weisst du, was ich heute SENSATIONELLES gemacht habe?"
"Nein", sage ich seufzend.
Sie sagt triumphierend: "Ich habe mir einen Rechner gekauft!"
ALARMSTUFE ROT
Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn sich ein sogenannter guter Freund, der im übrigen seit 17 Jahren nichts mehr von sich hat hören lassen, eine DOS-Kiste oder Mac-Pizzabox anschafft. Plötzlich erinnert man sich an den lieben guten alten Leisch, der zumindest wissen sollte, wie man das Ding anschaltet, und vielleicht auch noch nebenbei den Drucker konfiguriert, einen Netz-Zugang beschafft und zu jeder unmöglichen Tages- und Nacht-Zeit mit kostenloser Hotline zur Verfügung steht!
EVASIVE ACTION ON
"Äh... habe ich dir schon erzählt, dass ich seit Monaten an typographisch-allergischer Neuralgie der Handgelenke leide?"
Gwendolin schwärmt nämlich für Krankengeschichten.
"NEIN! Das musst du mir erzählen. Ist das ansteckend?"
"Zum Glück nicht. In den USA nennt man es RSI, 'Repetitive Stress Injury'. Ich kann leider überhaupt nichts mehr tippen, verstehst du?"
"Oh..." Gwendolin braucht ein paar Sekunden, um die ungünstigen Implikationen zu erfassen.
"Armer kleiner Junge. Aber... das heisst ja, du kannst deinen Computer nicht mehr bedienen..."
BINGO! Ich seufze schwer in die Muschel.
"Tja, schrecklich, nicht?"
"Aber... aber du kennst dich doch bestimmt noch THEORETISCH mit Computern aus. Ich kann nämlich nicht herausfinden, wie man das blöde Ding hier einschaltet..."
"...und ausserdem" beeile ich mich hinzuzufügen, "bin ich schon längst nicht mehr in der Computer-Branche. Ich mache jetzt Aussendienst-Marketing im Sanitärfachhandel. Meine Spezialität sind Bidets. Wusstest du, dass sich über 93% der Deutschen den Hintern nach der Scheisserei nicht abspülen? Das ist ein unglaubliches Marktpotential, sage ich dir... Da fällt mir ein, hast du eigentlich ein Bidet in deinem Scheisshäusl?"
Gwendolin beteuert hastig, dass sie sogar zwei davon hat. Aber sie scheint jetzt wenigstens nicht mehr so ganz davon überzeugt, dass ich der richtige Fachmann für ihr Problem sei.
"Tja, Liebli... ich meine, ich wollte sagen, dass ich mich dann wohl anderweitig umschauen muss... ähm... ich wollte sagen, dass ich gleich noch einen anderen dringenden Termin habe.... Weisst du was? Ich werde dich dann wieder anrufen, ok? Tschüs, Liebling!"
Erleichtert lege ich den Hörer zurück auf die Gabel. Damit so etwas heute nicht nochmal passiert, leite ich alle ankommenden Gespräche auf die Zeitansage um.
Schliesslich habe ich heute Wichtigeres zu tun: Sethimus Typhon, der Bastard Bureaucrat from Hell (B.B.f.H.) der Reisekostenstelle, hat versucht, sich mit Hilfe eines gar nicht mal ungeschickten trojanischen Pferdes bei uns einzuschleichen. Das Programm scannt die gerade eingeloggten Benutzer, macht einen Eintrag in die rhost-Datei eines Users für unbegrenzten Zugang und schickt den User-Namen per email an Sethimus Adresse. Auf diese Weise kann er sich ohne Passwort mit rlogin einloggen, und in meinen Überwachungsprogrammen fällt das nicht weiter auf, weil die meisten Benutzer, wenn sie erstmal eingeloggt sind, sowieso mehrere Windows öffnen.
Schick! Könnte fast von mir sein!
Natürlich kann ich das nicht so auf mir sitzen lassen. Da ich aber weiss, dass ihn die üblichen software-technischen Attacken allesamt kalt lassen, beschliesse ich, ihn an seiner empfindlichsten Stelle treffen: seiner Eitelkeit!
Habe ich schon mal erwähnt, dass Sethimus ständig von Kopf bis Fuss in die allerteuersten Designer-Klamotten gehüllt daherkommt? Während ich seit 17 Jahren mit demselben Sweatshirt ins Institut komme (ihr kennt es ja alle), hat er vermutlich für jeden Tag des Monats ein Extra-Paar Schuhe!
Ich klaue mir bei den Leichenflederern (Anatomen) im ersten Stock ein Paar Handschuhe und lasse mir in der Bäckerei um die Ecke eine extragrosse Papiertüte aushändigen. Dann schlendere ich gemütlich zur Grünanlage hinter der Mensa-Küche, wo Doro, die doofe Hausmeister-Dogge, ihr Revier zu markieren pflegt. Nach einigem Suchen, finde ich genau was ich brauche: ein riesiger hübscher frischer Haufen!
Mit angehaltenem Atem (und Handschuhen) fülle ich vorsichtig die Papertüte, bis sie halb voll ist; dann transportiere ich die stinkende Fracht am ausgestreckten Arm haltend in die mit Marmor ausgelegten Flure der Reisekostenstelle.
Vor Sethimus Büro ist weit und breit niemand zu sehen. Ich checke kurz mit meinem Funkmodem, ob er auch wirklich eingeloggt ist. Ja, er spielt gerade DooM-goes-War. Perfekt!
Ich stelle die Tüte direkt vor seine geschlossene Bürotüre und zünde den oberen Rand mit einen Feuerzeug an. Dann sprinte ich zum nächsten Quergang und schreie:
"Feuer! Feuer!!!"
Mit einem Taschenspiegel (Das ist ein Tipp, Leute: immer einen Taschenspiegel mithaben! Die Girls unter euch haben das schon lange kapiert!), mit dem Taschenspiegel also kann ich gefahrlos beobachten, was um die Ecke passiert:
Sethimus stürzt natürlich wie ein Schachtelteufelchen aus seinem Büro, sieht die brennende Tüte auf dem Boden, und... und... genau!
Austreten das Feuer! Und voll in die Scheisse mit den brasilianischen Designer-Schuhen!!!
Sethimus braucht nur 0.35 Sekunden, um die wahre Natur dieser Tüte zu erkennen. Er lässt einen so gotteslästerlichen Fluch los, dass sogar mir die Ohren flattern. Einer blutarme Sachbearbeiterin aus dem Nachbarbüro, die auch gerade nachschauen will, was der Lärm auf dem Gang bedeutet, schwinden vor Schreck die Sinne und sie sinkt Sethimus entseelt in die Arme.
Ein Bild für die Götter: Der schwule Sethimus Typhon mit einem ohnmächtigen Mädchen im Arm und mit einem Fuss immer noch in der Hundescheisse. Schade, dass ich meine DigiCam vergessen habe!
© Copyright Florian Schiel 1998
Dog Shit
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