Die Hochschulwahlen stehen wieder mal an. Da auch die Fuzzy-Fraktion ( = akademischer Mittelbau ) ihren Vertreter wählen muss, hat sich der Kollege O. dieses Jahr breitschlagen lassen zu kandidieren. Zuerst hatte ich mich ja selber angeboten; schliesslich ist so eine Fachbereichssitzung eine geniale Ausrede, um Vorlesungen ausfallen zu lassen. Aber komischerweise waren sich alle Kollegen darüber einig, dass ich nicht den Furz einer Chance hätte (Originalzitat Marianne), naja...
Jedenfalls pestet uns jetzt der Kollege O. seit Wochen, dass wir auch ja alle zur Fuzzy-Konvention ( = Mittelbauversammlung ) gehen sollen, damit seine Kandidatur Rückhalt aus der Basis habe. Natürlich hat kein normaler Mensch wirklich Lust, dahin zu gehen, obwohl es beim letzten Treffen sogar alkoholfreie Getränke und Dauerlutscher gab (gegen Selbstkosten allerdings!).
Um zu demonstrieren, dass ich nicht nachtragend bin, gehe ich kurz vor der Fuzzy-Konvention die Schellingstrasse hinunter zum Cafe Adria, wo die Schwabing-Penner ihren Stamm- und Saufplatz haben. Für nur zwei halbe Bier pro Nase ist die ganze Mannschaft bereit, mit zur Mittelbauversammlung zu kommen und für den Kollegen O. zu stimmen. Schliesslich kann man einen Uni-Fuzzy sowieso kaum von einem Schwabing-Penner unterscheiden, solange beide den Mund halten. Ich schärfe daher den Pennbrüdern auf dem Weg zum grossen Physik-Hörsaal ein, dass sie bloss keine Kommentare abgeben und lediglich die Hände heben sollen, wenn der Kollege O. dran ist.
Zuerst klappt alles wie am Schnürchen. Die Penner verteilen sich unauffällig unter die anderen Fuzzies und verhalten sich - abgesehen von einigen anzüglichen Bemerkungen an die weiblichen Mitglieder der Versammlung - sogar recht manierlich. Als der Kollege O. sein Statement abgibt, klatschen sie wie wild und heben brav die Hände.
Dann passiert es: Einer der jüngeren Saufbrüder, vermutlich ein früheres Mitglied der Marxistischen Gruppe, kann sich nicht länger zurückhalten. Er stürmt nach vorne zum Mikrophon und hält eine flammende, politische Rede, etwas lallend zwar, aber durchaus mitreissend:
"... Gebossinnen und Gebossen ..." offensichtlich ist sein knallrote Säufernase etwas verstopft "... der Klassenkampf ... Unterdrückung durch die bürgerlichen Institutionen ... und überhaupt ... den Kampf ansagen ... Verteidigung unserer sozialistischen Errungenschaften ... und überhaupt ... brauchen eine neue Revolution ... Unterdrückung nicht länger hinnehmen ... Freibier für alle Uni-Angehörigen ... weg mit versteinerten Gremien ... und überhaupt ... zu den Fahnen ... Uni-Angehörige aller Länder ... und überhaupt ... gemeinsam sind wir ... vereinigt euch!!!"
Tosender Beifall. Bevor ich noch etwas unternehmen kann, nominiert die Versammlung den Penner per Akklamation zum Kandidaten für die Hochschulwahl!
Der Kollege O. ist völlig geknickt. Ich sage ihm lieber nicht, dass er gegen einen Penner verloren hat, auch wenn dieser höchstwahrscheinlich nicht gewählt werden wird. Aber bei unserer Verwaltung kann man nie wissen...
Um den Kollegen O. zu trösten, deute ich an, dass die ganze Administration der Hochschulwahlen über unsere Rechner abgewickelt wird, weil das Wahlamt kein Geld für einen eigenen PC hat. Der Kollege O. schaut mich eine Sekunde lang durchdringend an, räuspert sich lautstark, sagt aber nichts weiter.
Als ich nach diesem Disaster zurück zum LEERstuhl komme, wartet schon Yogi Flop, unser esoterischer Physiker, vor meiner Türe. Er zappelt so nervös wie eine elektrischer Aal, der die Stromrechnung bekommen hat.
"Ich bin bei der OLEC angenommen worden!" schreit er begeistert.
"Und wer oder was ist die OLEC?" frage ich.
"Die 'Orthogonal Linguistic Engineering Conference' natürlich! In Adelaide, Australien!"
Oh, Leck! Die OLEC! Das passt aber gar nicht in meine Finanzplanung! Wenn Yogi Flop jetzt nach 'down under' fährt, bleibt ja kein Geld mehr im Reisetopf für meinen Jahresurlaub auf den Seychellen! Und jetzt will er mir am Ende auch noch sein Paper zum Korrekturlesen geben! Yogi Flop ist bekannt für seine grauenhaften Englischkenntnisse. Das letzte Mal, als er dem Kollegen Rinzling einen Entwurf für eine Veröffentlichung zum Lesen gegeben hatte, war dieser für drei Wochen im Krankenhaus gelegen. Magengeschwür durchgebrochen! Nur vom Lesen!
"Aber ich muss jetzt sofort einen Visumsantrag ausfüllen", fährt Yogi Flop mit sorgenvoll gefurchter Stirne fort und wedelt nervös mit dem gelben Formular. "Kannst du mir dabei helfen? Was schreib' ich zum Beispiel unter 'gender'?
"Na, 'male' natürlich!"
"Ah! Natürlich!"
Ich schaue ihm über die Schulter, wie er feierlich 'MAIL' einträgt.
"Danke! Und was schreibt man unter 'affiliation'?"
"Schreib: 'sales manager'; das macht sich immer gut..."
"Echt?" fragt Yogi Flop zweifelnd.
"Na, klar! Alles was mit 'sales' zu tun hat, lassen die Aussis bestimmt gerne ins Land. Wenn du 'esoteric physicist' einträgst, werden sie bestimmt misstrauisch."
Yogi Flop schreibt sorgfältig: 'SAILS MANAGER'. Passt doch!
"Und dann sind da unten noch ein Haufen Fragen zum Ankreuzen..." Yogi wedelt hilflos mit dem Formular. Ich werfe einen Blick darauf; es handelt sich um die ganzen idiotischen Fragen der Einwanderungsbehörde. Ob man einer kommunistischen oder wahlweise rechtsradikalen Vereinigung angehört, ob man eine Geschlechtskrankheit hat, ob man schon mal so ganz nebenbei jemanden umgebracht hat, ob man Hitler direkt unterstellt war oder nur ein Mitläufer, oder ob man eine Aussi-Frau gebumst hat und jetzt fahnenflüchtiger Vater eines armen australischen Kindes ist.
"Ach, das! Das sind bloss die Standard-Fragen, ob man alle seine Papiere beisammen hat und genug Geld für eine Rückflugticket, und so weiter. Da kannst du überall 'yes' ankreuzen."
"Danke! Du bist mir eine echte Hilfe", atmet Yogi Flop erleichtert auf.
"Man tut, was man kann", sage ich freundlich.
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