Es geht schwer auf Xmas zu und natürlich hat auch der B.A.f.H. etwas für seine Studenten parat: Eine CD mit Unterrichtsmaterial! So richtig schick in Multimedia, mit Online-Skripten, natürlich auch ein paar niedliche Spielchen (total jugendfrei!) und als Bonus auch noch der nächste Semesterplan und ein paar Probeklausuren aus den letzten Jahren (zum Üben über die Weihnachtsferien). Was werden sich die Studis freuen!

WAS IST HIER LOS?
IST DER BAFH DURCH DAS EWIGE WEIHNACHTSLIEDER-GEDUDELE IM FERNSEHEN
WEICH IM HIRN GEWORDEN?
BIN ICH HIER ETWA IM FALSCHEN FILM?

Keine Sorge!

Um der CD den letzten Schliff zu geben, lade ich die neuesten Viren von der DFN-CERT Page und verstecke die lieben Tierchen zwischen meinen Skripten. Ein paar harmlos aussehende Java-Skripten in den HTML-Pages enthalten ausgefeilte Buffer-Overflows des Interpreters, die jede Windoofs-Kiste in die Eiszeit schicken. Ein Random-Initial-Script formatiert nach Gusto die Festplatte.

Was werden sich die Studis freuen! (harharhar!)

Zum Glück bin ich die nächsten drei Wochen im verdienten Weihnachtsurlaub, und der Kollege O. hat es freundlicherweise übernommen, solange meine Seminare abzuhalten, das arme Arsch! Wenn also die erbosten StudentInnen (da war's wieder!) wütend aus den Ferien zurückkommen, finden sie ein williges Opfer zum Zerfleischen! Hah!

So, noch ein paar Test auf Frau Bezelmanns Sekretariats-NT-Kiste ... yep ... nicht mal der Resetknopf reagiert noch! Hehehehe ... Damit ist das Master-Image für die CD fertig!
(Frau Bezelmann ist bereits im vorgezogenen Urlaub auf Neufundland; deshalb kann ich hier so ungestraft an ihrem heiligen Rechner 'rumfummeln. Soweit ich mitbekommen habe, nimmt sie dort an einem arktischen Überlebenstraining für US Marines teil, die sich für ihren Einsatz in Afghanistan fit machen. Wie sie es geschafft hat, da 'rein zu kommen, ist derzeit Hauptthema bei der täglichen Kaffeerunde im LEERstuhl.)
Jetzt muss ich das Ding nur noch in unsere CD-Brenn-Jukebox stecken und Kopien brennen. Und dann kommt das Schwierigste: Beim Verteilen an die Studis ein neutrales Gesicht aufsetzen und bloß nicht Lachen!

Ich schlendere pfeifend hinüber in den Rechnerraum und sehe, dass die CD-Brenn-Jukebox bereits in Betrieb ist. Das wäre ja an sich kein Problem (kill -9 ˋps aux | grep cdrecord | cut -f 1ˋ), aber leider steht auch noch Marianne vor der Jukebox und streicht vielsagend mit der Wurfhand über ihre Primärwaffe (Posaunenkasten), die sie bei Fuß stehen hat.
"Ha!" sagt sie triumphierend, und als ich nicht gleich antworte, noch einmal: "Ha! Dacht' ich mir's doch!"
Ich schaue sie unschuldig-fragend an.
"Es ist doch jedes Weihnachten dasselbe!" meint sie bissig. "Du belegst mit deinen blöden Copy-Jobs tagelang den Brenner und wir, die wir ernsthafte Backups von unseren Simulationsdaten fahren sollten, gehen leer aus! Aber nicht dieses Jahr, mein Lieber! Deine Spielereien können warten!"
Da Marianne nicht so aussieht, als ob sie demnächst freiwillig das Feld räumen würde, mache ich einen taktischen Rückzug in unser Materiallager und zerkratze erstmal ein Dutzend DVD-Rohlinge, das Stück zu 29 EUR, um meine Nerven zu beruhigen. Nichts bringt den Blutdruck besser unter Kontrolle, als wenn man ein paar Steuergelder verschleudert (Es muss aber schon eine gewisse Summe sein! Der Gedanke allein zählt nicht! Alle Politiker wissen das!).

Die Lage ist sehr ernst: Wenn Marianne wirklich ihre gesamten 63GByte an Simulationsdaten auf CDROM sichern will, ist sie bis heute Abend noch gut beschäftigt. Dann schaffe ich es nicht mehr bis zum Anfängerseminar um 16 Uhr, wo die besonders vertrauensseligen Studis (sog. 'Doedis') drinsitzen und den Dozenten die vermeintliche Weisheit von den Lippen saugen. Morgen sind dann nur noch die 5.-Semester am LEERstuhl, und bei denen brauche ich es gar nicht erst versuchen: die fassen eine CD von mir nicht mal mit Handschuhen und Atemschutzmaske an! Und dann sind schon Weihnachtsferien. Schlimmstenfalls könnte Marianne es sogar schaffen, unseren Vorrat an CDROM-Rohlingen aufzubrauchen, und ich gehe dann leer aus!
Hmm, ich könnte ja einfach den Umfang von Mariannes Simulationsdaten von 63GB auf 0GB reduzieren. Nur reduziert mich Marianne dann bei nächster Gelegenheit auch auf Null. Wie gesagt, die Lage ist sehr, sehr ernst!

Ich breche noch einmal in Frau Bezelmanns Sekretariat ein und klaue sieben Räucherstäbchen aus ihrer Schublade. Dann gehe ich hinunter in die Tiefgarage und klebe die Räucherstäbchen mit Tesaband unter dem am schlechtesten zugänglichen Rauchmelder fest und zuende sie an. Ich bin gerade wieder oben im LEERstuhl als die Glocken losbimmeln. Der Kollege O. stürzt aus dem Seminar und beginnt, die Studis in Richtung Notausgang zu scheuchen. Schließlich ist er als stellvertretender Brandschutzbeauftragter jetzt, wenn Frau Bezelmann im Urlaub ist, verantwortlich dafür, dass sich bei Feueralarm alle unten vor dem Biergarten versammeln.
"Los, los!" ruft er hektisch und rennt nervös den Gang auf und ab und hämmert gegen die Bürotüren. Ich gehe betont langsam an ihm vorbei und sage ihm noch beruhigend, dass es bestimmt wieder nur ein Fehlalarm sei. Kaum bin ich außer Sichtweite, biege ich ins Männerklo ab und höre durch den Türspalt, wie der Kollege O. mit Marianne hadert.
"Das ist bestimmt wieder nur einer von seinen Tricks!" zetert Marianne wütend und klammert sich an der Türklinke vom Rechnerraum fest. "So viele Feueralarme gibt es in ganz Bayern nicht, wie in unserem Gebäude!"
Der Kollege O. sagt, dass es ihm ganz egal sei, warum es Alarm gebe, aber er sei dafür verantwortlich, dass alle - auch Marianne - sich unten vor dem Biergarten versammeln.
"Aber ich wette, Leisch steckt in seinem Büro und wartet nur darauf, dass ich den Rechnerraum verlasse!"
Der Kollege O. versichert Marianne, dass er mich mit eigenen Augen habe hinunter gehen sehen. Hah!
Schließlich lässt sich Marianne überreden, nachdem sie noch einmal genau mein Allerheiligstes inspiziert und in der Bibliothek unter den großen Konferenztisch geguckt hat, und die beiden verschwinden endlich hinunter in das allgemeine Feuerübungs-Chaos in Foyer.
Mir bleiben höchstens 5 Minuten bis die Feuerwehr das Gebäude inspiziert oder - schlimmer noch - Marianne merkt, dass ich nicht unten auf der Strasse stehe. Ich rase zum Rechnerraum, rupfe die Kabel der CDROM-Jukebox heraus (Mariannes Kopier-Prozess lief noch. Tja, Pech gehabt!) und schleppe das Ding zusammen mit einem Karton voller Rohlinge ein Stockwerk höher in den Netzwerkknotenraum der Evangelischen Theologie. Dort habe ich einen kleinen Linux-Rechner installiert, um gelegentlich Emailpakete abzufangen, die an die heiße kleine Sekretärin des Dekans ein Stockwerk höher gehen. Dort schließe ich mich ein (nicht bei der Sekretärin; im Netzwerkknotenraum!) und brenne in aller Seelenruhe meine Weihnachts-CDs.
Punkt viertel nach vier gehe ich mit den frisch gebrannten CDs hinunter ins Anfängerseminar. Marianne steht im Gang und sieht so wütend aus wie ein taskalanischer Feuerdrache, der aus Versehen in eine Feuerwehrübung geraten ist (stimmt ja auch fast). Aber sie kann jetzt schlecht tatgreiflich werden, weil der Gang voller Studis ist und ich sofort mein Seminar abhalten muss. Allerdings streicht sie vielsagend über den Posaunenkasten, der neben ihr steht, und wirft mir einen Blick zu, der jeden normal sterblichen Mann sofort in einen unsauberen Haufen bräunlicher Asche verwandelt hätte. Da auch meine Anatomie nicht unbegrenzt belastungsfähig ist, entlasse ich daher zehn Minuten vor Schluss meine Studenten in die Weihnachtsferien und haue durch den sonst immer verriegelten Notausgang, den die Feuerwehr bei ihrer Inspektionsrunde natürlich offen gelassen hat, ab nach Hause. Merry Xmas!

Copyright Florian Schiel 2001

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