Wir leben in einer Welt voller Fragen! Ich, zum Beispiel, frage mich jeden Morgen, ob es sich ueberhaupt noch lohnt aufzustehen. Herr Schily muss sich mit der V-Mann-Frage herumschlagen. Die K-Frage wurde ja jetzt endlich zur Zufriedenheit aller patriarchalischen CDU/CSU-Anhaenger geklaert, aber nun steht die N-Frage drohend im Alpenvorland. Und eine gewisse Partei gruener Grundfaerbung muss sich, seitdem sie unerwarteterweise zu Amt und Wuerden gelangt ist, pausenlos die G-Frage (Gretchen-Frage) stellen lassen. Ein Kommentator hat kuerzlich das erste Mal die RR-Frage aufgebracht ('Renten-Reform') und deren Beantwortung wortreich eingefordert, waehrend die Gewerkschaftsbosse die angehende TF-Frage diskutieren ('Tarif-Forderung'). Alle Maedchen im heiratsfaehigen Alter - naja, fast alle; Marianne gehoert jedenfalls nicht dazu - denken staendig an DIE FRAGE ueberhaupt und wann er sie endlich stellen wird. Aber alle Welt - das heisst ganz besonders die StudentInnen (da war's wieder!) - jammern ueber die SMS-Frage, und zwar speziell die angekuendigte Anhebung der SMS-Gebuehren.

Geradezu Lachhaft! Was erwarten sich die Leute denn schon anderes von einer Sache die 'Sado-Maso-System' heisst? 'Sado' deshalb, weil nur ein ausgemacht sadistisch veranlagter Ingenieur auf die Idee kommen konnte, mit nur 10 Tasten Klartext schreiben zu lassen, und 'Maso', weil es unbegrenzt viele Idioten gibt, die das auch noch freiwillig und gegen Gebuehr machen! Anstatt den Sadisten-Ingenieur zu lynchen! Muss ein echter Bastard Ing. from Hell (B.I.f.H.) gewesen sein. Vermutlich aus der gleichen Gruppe, die auch Windoofs verbrochen haben ...

Andererseits muss ich zugeben, dass SMS auch seine guten Seiten hat. Wenn man es richtig einzusetzen weiss ...

Zum Beispiel heute Mittag: Kurz nach meiner Ankunft am LEERstuhl fuehle ich mich schon wieder eleven-clockish; vermutlich weil mich das Aufstehen, Duschen, Fruehstuecken und dann die ganzen Fragen in der Zeitung so angestrengt haben. Ich kontrolliere also meine WebCam in der Cafeteria, die beim letzten DFG-Projekt so nebenbei abgefallen ist (kein 25 Euro-Schund von Conrad, sondern eine hochempfindliche Messkamera mit drei Freiheitsgraden und voll digital zu steuern!) und sehe mit Missfallen, dass mindestens 200 Studenten in der Schlange stehen.
Ein hochbezahlter Wissenschaftler meines Formats kann es sich schon aus rein volkswirtschaftlichen Gruenden nicht leisten, waehrend seiner kostbaren Arbeitszeit einfach nur unkreativ in einer Warteschlange herumzustehen!
Ich hacke mich also in die lokale GSM-Zelle von D2 und E-Plus ein und schicke an alle aktiven Handys eine SMS des Inhalts, dass Vodafon, um die feindliche Uebernahme von von Mannesmann D2 (und die Uebernahme von
2 Mio gut zahlender Idioten) zu feiern, am Odeonsplatz Telefonkarten im Wert von 100 Euro verteile. "Nur solange Vorrat reicht!"
In der Cafete bricht ein akustisches Inferno graesslicher Piepstoene aus, und eine der griechischen Essensausgabe-Walkueren laesst sogar vor Schreck 10 Liter Knoblauchsauce auf den Boden schwappen.
Bis ich gemaechlich hinunter in die Cafete komme, hat sich die Schlange bis auf ein paar hartgesottene Handy-Gegener verduennisiert und ich kann in aller Ruhe (mit zugehaltener Nase wegen der Knoblauchsauce)
mein zweites Fruehstueck (oder Pre-Lunch, wie man will) zusammenstellen.

Oder meine neueste Erfindung: Der HaeSi ('Haendy-Simulator').
Ein handlicher kleiner Chip, der auf Knopfdruck die typischen graesslichen Piezo-Melodien von sich gibt, mit denen die sadistischen B.I.f.H.s ihre Mitmenschen quaelen. Der HaeSi bietet erstaunlich viele Einsatzmoeglichkeiten. Wenn man zum Beispiel in einem 'Never-Ending-Meeting-from-Hell' feststeckt, laesst man unauffaellig
den HaeSi jodeln und eilt dann mit einem verlegenen "Bin gleich wieder da!" auf den Flur. Es versteht sich von selbst, dass man dann nie wieder auftaucht. Nach fuenf, sechs solchen 'Vorkommnissen' kann es sogar sein, dass der genervte Meeting-Leiter einen gar nicht mehr zum Meeting beordert!
Oder ich lasse das Ding programmiert auf Mariannes Handy-Sound im Hauptseminar des Chefs loskreischen. Der Chef kann alles vertragen, aber nicht wenn ihn ein Handy in seinem geheiligten Gedanken-/Redefluss unterbricht. Er verhaspelt sich in der siebten Haesitations-/Nebensatzebene, verliert den Faden (oder besser das Fadengewirr; beim Chef weiss man nie so genau) und guckt sich missbilligend nach der Ursache der Stoerung um. Marianne faellt immer
wieder darauf rein: Sie zuckt hoch, bekommt in Null-Komma-Nix einen Kopf wie eine ueberreife Tomate und stuerzt mit ihrer Handtasche auf den Gang hinaus. (Nach dem Hauptseminar lauert sie mir dann allerdings im Gang
mit ihrem Posaunenkasten auf. Aber bei jedem gelungenen Spass muss man ein kalkulierbares Risiko in Kauf nehmen!)

Auch fuer mich, den B.A.f.H. ergeben sich ganz neue ungeahnte Betaetigungsfelder: Wie quaelt man am einfachsten einen Studenten? Indem man die Codierung in seinem Handy so veraendert, dass anstatt normaler Buchstaben koreanische Bilderschrift erscheint.
Was macht der B.A.f.H. mit einem Studenten, dessen Handy in seiner Vorlesung losdudelt? Er zwingt ihn vor versammelter Zuhoererschaft das Gespraech entgegenzunehmen und schaltet den Ton auf die Saallautsprecher
(angeblich hat eine Studentin nach dieser beschaemenden Prozedur ihr Studium sofort abgebrochen und arbeitet jetzt als Handy-Model bei E-Plus; aber das ist bestimmt wieder nur eines der boesartigen Geruechte, die ueber mich verbreitet werden!).
Der Kollege O. hat den Rechner in seiner Bibliothek so programmiert, dass automatisch eine SMS an sein Handy geschickt wird, wenn jemand 'weggesperrte' Buecher einsehen will. In letzter Zeit sieht man den Kollege O. allerdings immer haeufiger durch die Gaenge hetzen, obwohl kein Mensch in der Bibliothek ist. Koennte irgendwie damit zusammenhaengen, ass ich seine Handy-Nummer auf einer einschlaegigen Web-Page (Bastard Azubis from Hell) ge-postet hatte. Leider wird er die Sache wohl bald wieder aufgeben ...
Die einzige am LEERstuhl, die nicht dem Handy-Wahn verfallen ist, Frau Bezelmann natuerlich, hat fuer das ganze Handy-Treiben nur zwei veraechtlich nach unten gezogene Mundwinkel uebrig. Wenn jemand sie beim Kaffeetrinken fragt, wieso sie eigentlich kein Handy habe, erklaert Frau Bezelmann mit eisiger, vor Verachtung triefender Stimme, dass sie fuer die mobile Kommunikation das NATO-Handsprechgeraet HaFuGe 1760 bevorzuge - und das bereits seit 25 Jahren. Wenn dann der ahnungslose Frager sie darauf hinweist, dass man damit ja wohl kaum ueber das Telefonnetz erreichbar sein, schaut Frau Bezelmann ihn nur fuenf Sekunden lang vernichtend an und zischt dann:
"Eben!"

Copyright Florian Schiel 2002