Es gibt zweiundvierzigeinhalb offiziell beim Vatikan (Glaubenskongregation) registrierte Beweise dafuer, dass Gott existiert. Der einzige offiziell anerkannte halbe Gottesbeweis stammt von Herrn Norbert Samestoeter aus Wiesbaden. Er lautet kurzgefasst etwa so:
"Der liebe Gott muss existieren! Wenn er naemlich nicht existieren wuerde, haetten wir alle, also ich selber, alle meine Kollegen und Vorgesetzten und natuerlich auch alle Beschaeftigten der Aufsichtsbehoerde, uns schon laengst in kleine boesartige Trolle mit gruenen Hoernern und vorstehenden Zaehnen verwandelt. Da ich aber jeden Tag um vier nach Hause gehen kann und im Flurspiegel sehe, dass ich mich wider Erwarten nicht in einen kleinen boesartigen Troll verwandelt habe, muss es jemanden geben, der jeden Tag dafuer sorgt, dass es nicht passiert. Dieser eine kann nur Gott sein; ergo muss Gott existieren."
Herr Samestoeter aus Wiesbaden arbeitet - nebenbei bemerkt - als Buchpruefer bei der Bundesfinanzbehoerde.

Das ist natuerlich alles kein Geheimnis.

Weniger bekannt ist jedoch, dass der Orden Jesu ebenfalls eine geheime Sammlung von inzwischen 967 Beweisen angelegt hatte, dass Gott NICHT existiert. Falls ihr demnaechst mal nach Rom kommt, koennt ihr gerne selber nachschauen. Die 967 Gottesbeweise sind auf einem alten, alterschwachen Windoofs-Rechner gespeichert, der in der Gruendungskirche des jesuitischen Ordens, Il Gesu, hinter einem Bild von Tizian versteckt gehalten wird. Wenn ihr an den PC herankommen koennt, schaut in das Verzeichnis namens 'Vade Retro' auf dem Laufwerk D:.

Manchmal kann er sehr nuetzlich sein, so etwas zu wissen.

Ich sitze in meinem Allerheiligsten und warte darauf, dass das Telefon klingelt. Doch, doch, ihr habt richtig gelesen: ich warte darauf, dass das Telefon klingelt.
Nein, der BAfH hat jetzt keinen masochistischen Anfall. Ich warte darauf, dass mein B.B.f.H. ('Bastard Banker from Hell') anruft und mir mitteilt, dass das Geld eingegangen ist.

Welches Geld, welches Geld?! Wieso muesst ihr immer alles ganz genau wissen! Das Geld eben! Wichtig ist in diesem Zusammenhang nur, dass seit gestern aus dem Materiallager des Universitaetsbauamts 36 Kilometer Kategorie-6-Netzkabel fehlen und ich das Geld sofort weiter auf mein Nummern-Konto auf den Caymans verschieben muss, sobald dieser bloede Anruf endlich kommt.

Das Telefon klingelt und nach einem Fuenftel Klingeln hebe ich ab.
"Ja?!"
"Aeh ... aehm ... ist dort die ... aeh ... hmm ... der ... aeh ... Rechner-Support?"
Es ist nicht der B.B.f.H.; aber das habt ihr wahrscheinlich schon selber gemerkt!
Bevor ich noch sagen kann, dass hier die staatliche Rekrutierungsbehoerde fuer die geplante Marskolonie ist, labert der Anrufer schon weiter:
"... aeh ... ich habe da naemlich ein Problem ... ich habe hier einen Computer ... natuerlich nur voruebergehend ..."
"Wieso 'natuerlich'?" frage ich gegen meinen Willen interessiert.
"Weil er nicht mir ... uns ... ich meine, er gehoert nicht dem Institut, sondern dem erzbischoeflichen Ordinariat ..." Es klingt fast so, als muesse er sich entschuldigen, dass da ploetzlich so ein weltliches Ding wie ein Rechner in seinem Buero stehen wuerde. "Der ... aeh ... Computer kommt natuerlich wieder weg, wenn ich ... wenn wir mit dieser Veroeffentlichung fertig sind ... hmm ... eigentlich keine Veroeffentlichung, eher so ... so eine Broschuere fuer die naechste Studentenwallfahrt zum heiligen Stuhl ... Sie verstehen?"
"Nein", sage ich.
"Aeh ..." beginnt er ueberrascht, aber ich unterbreche ihn gleich wieder:
"Und was ist jetzt mit diesem erzbischoeflichen Computer?"
"Also ich ... der Dekan hat versucht, die Seite des Vatikans aufzurufen, aber der Computer sagt nur, dass diese Seite gar nicht existiere - was natuerlich auf gar keinen Fall sein kann - oder dass diese Seite voruebergehend nicht erreichbar sei - was auch nicht sein kann, die Seite des Heiligen Stuhls, ich bitte Sie! ... aeh ... wo war ich? Ach ja, und dann sagt der Computer noch, dass man den Ad-mi-ni-stra-tor kontaktieren solle, und da dachte der Dekan ... oder vielmehr seine Sekretaerin, die dachte ... die wusste Ihre Nummer ... und so ..."
"Studentenwallfahrt, was?" frage ich zoegernd.
"Wie? Ach so ... aeh ... ja, ich arbeite daran ... soll daran arbeiten ... aber dazu brauchen wir die Vorlagen von der Seite des Vatikan und ..."
Ich sage, dass ich sofort 'raufkomme, lenke mein Telefon auf seinen Anschluss um (B.B.f.H.!) und tigere los. Studentenwallfahrt! Hah!

Auf dem Bueroschild steht 'Fundamentaltheologie'. Aha. AHA!
Drinnen stehen der Typ, der telefoniert hat, der Dekan der katholischen Theologie und eine Tussi, die seine Sekretaerin sein muss und fuer ihren Beruf viel zu sexy angezogen ist: Ihr Pullover hat keinen Rollkragen und die Schnallenschuhe sind nur dunkelgrau! Offensichtlich hat die meine Telefonnummer gehabt, und ich frage mich, woher? Von mir bestimmt nicht!
Auf dem alterschwachen PC ist vorne auf der Abdeckblende ein grosses Kreuz aufgeklebt und am unteren Bildschirmrand klebt ein St. Christopherus. Ich setze mich an den PC, lasse alle zehn Finger knacken und sage, dass das nicht ganz einfach wird, und dass bitte waehrend der gesamten Operation absolutes Silentium einzuhalten sei. Dann hole ich die Hardware-Adresse der Netzkarte heraus und telefoniere hinueber ins Rechenzentrum, damit sie das Ding in den DHCP-Server eintragen. Die drei Fundis - wie ich sie in Gedanken schon nenne - stehen derweil mit gefaltete Haenden um mich herum, wie beim Vaterunser in der Kirche, und versuchen, ganz flach zu atmen. Ich warte noch drei Minuten voellig regungslos, ausser dass ich bei jedem Geraeusch, das vom Gang hereindringt, missbilligend die Augenbrauen runzele, dann raeuspere ich mich ploetzlich so laut ich kann:
"Hrrm ... hrrrrhrrrmm!"
Alle drei Fundis zucken zusammen und der Dekan laesst seine Brille fallen, mit der er nervoes herumgespielt hat.
"Wenn wir sowieso schon warten muessen, koennen wir uns ja ein paar neue Gottesbeweise erzaehlen!" sage ich froehlich.
Der Dekan starrt mich kurzsichtig mit offenem Munde an.
"Kennen Sie zum Beispiel den schon: Jeder weiss, dass Gott vollkommen ist. Wenn nun aber - wie die Atheisten behaupten - Gott nur in alten Hollywood-Filmen wie 'Quo Vadis' vorkaeme, dann waere er mangelhaft, weil jeder weiss, dass eine Hollywood-Figur nicht vollkommen sein kann. Ich meine, denken sie nur an Julia Roberts! Mangel widerspricht aber dem Konzept der Vollkommenheit; folglich muss Gott auch als Nicht-Hollywood-Figur existieren."
Verbluefftes Schweigen; die Sekretaerin-Tussi versucht krampfhaft, ihre Mundwinkel unter Kontrolle zu bringen. Ich wusste doch, dass die nicht ganz koscher sein kann! So jung und bei den Fundamentaltheos!
"Urrgh!" stoehnt der Fundamentaltheologe und guckte den Dekan an.
"Aeh ..." sagt der Dekan und raeuspert sich so professoral, dass die Glaeser auf dem Waschbecken im Hintergrund leise klirren.
"Andererseits", fahre ich fort, bevor sie sich von ihrem Schock erholen koennen, "andererseits gibt es natuerlich immer noch vollkommen unbelehrbare, verstockte Atheisten, denen auch die besten Gottesbeweise nicht mehr helfen koennen. Nehmen Sie zum Beispiel diesen gottlosen Computer hier ..."
Ich gebe der alterschwachen Windoofs-Kiste einen Fusstritt, so dass das aufgeklebte Kreuz herunter flattert.
"... der ist natuerlich ein voellig hoffnungsloser Fall! Da hilft auch der Christopherus nichts mehr! Schauen Sie bloss mal her ..."
Ich rufe ein DOS-Eingabefenster auf und tippe ein: 'GOTT'.
Der Gag ist zwar Asbach-uralt, kommt aber immer wieder gut an.
Die Antwort vom DOS ist natuerlich:
"GOTT ist entweder falsch geschrieben oder kann nicht gefunden werden"
Dem Dekan faellt die Kinnlade herunter; der Fundamentaltheologe stottert entsetzt:
"Um Gottes Willen, um GOTTES Willen ..."
Die Sekretaerin kann sich nicht mehr halten und stuerzt prustend aus dem Zimmer.

Eine Woche spaeter gehe ich ueber das trojanische Pferd, das ich natuerlich im Fundi-Rechner installiert habe, in die Druckvorlagen fuer die Studentenwallfahrts-Broschuere. Als Bastard muss man sich in Rom auskennen; schon von Berufs wegen! Ich vertausche ein paar heilige Adressen mit denen einschlaegiger Haeuser fraglichen Rufes und mache
auch sonst noch ein paar strategische Aenderungen, nach denen die Theologiestudenten diese Wallfahrt bestimmt ihr Leben lang nicht mehr vergessen werden.
Nach dieser Anstrengung schlendere ich nach vorne ins Sekretariat und klaue Frau Bezelmann den letzten Rest Kaffee aus der Maschine. (Das ist keineswegs besonders mutig von mir, denn Frau Bezelmann ist um diese Zeit immer unten an der Pforte, um den UPS-Mann zu erschrecken, der einen Stapel Pakete durch unser idiotisch schmales Treppenhaus balanciert. In drei von zehn Faellen schafft sie es, dass der arme Mann ein oder zwei Pakete durch den Lichtschacht hinunter ins zweite Untergeschoss fallen laesst. An solchen Tagen ist dann Frau Bezelmann den Rest des Tages bester Laune!) Marianne ist auch da und versucht, mit einem Asbesthandschuh aus dem Labor bewaffnet an ihre Post im Postkaktus zu kommen.
"Wieso guckst du so verdammt zufrieden?" fragt Marianne misstrauisch. "Hast du etwa wieder den Server mit meinen Simulationen abstuerzen lassen?"
Ich zucke nur arrogant mit den Achseln, um anzudeuten, wie laecherlich Mariannes Simulationen im Vergleich mit meinen verantwortlichen Aufgaben an dieser Uni sind.
"Ich habe heute beschlossen", sage ich gewichtig, "meinen positiven paedagogischen Einfluss auch auf Studenten ausserhalb unseres LEERstuhls auszuweiten ..."
"Herzliches Beileid!" kommentiert Marianne trocken. "Wer sind denn die Ungluecklichen?"
Marianne verrenkt sich abenteuerlich, um an einen besonders tueckisch placierten rosa Brief zu kommen, auf dem deutlich sichtbar ihr Name prangt.
"Fundamentaltheologie."
Marianne bekommt einen Lachkrampf, macht eine falsche Bewegung - und hat sofort drei Dutzend Stacheln im Unterarm.
"Die Theologen!" prustet sie, waehrend ich ihr ritterlich die Stacheln mit der dazu bereit liegenden Pinzette entferne (Frau Bezelmann ist zwar grausam, aber keineswegs unpraktisch veranlagt!). "Die Theologen! Das letzte Mal, als du an einem ihrer Proseminare teilgenommen hast, haben sie anschliessend den Hoersaal mit Weihwasser durchgespuelt!"

Copyright Florian Schiel 2002

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