Das Sommersemester hat angefangen.

Das ist leider zu uebersehen, weil ich mich auf dem Weg von der U-Bahn zum LEERstuhl ploetzlich durch eine verfilzte Masse halbnackter, schwitzender, rauchender, saufender und im Grossen und Ganzen zu lauter Erstsemester kaempfen muss.

Apropos 'halbnackt': Warum dieses Semester alle Studentinnen ihre viel zu engen Hosen halb heruntergelassen tragen muessen, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht sollte ich doch mal bei Gelegenheit wieder Zeitung lesen anstatt nur im Hacker's Havoc zu schmoeckern... Sparmassnahmen in der Kleiderstoffproduktion? Und ich spreche hier nicht nur von denen, die sich das von der Figur her vielleicht leisten koennten, sondern von ALLEN, das heisst auch solchen, die wir in Bayern als 'guat beiananda' bezeichnen wuerden.

Studenten sollte man meiner Meinung nach nur sehen und hoeren, wenn sie ihre Verwaltungsabgabe einzahlen (eine der neusten Erfindungen des Stoiber-Regimes). Den Rest des Semesters sollten sie am besten im Englischen Garten in der FKK-Zone bleiben und japanische Touristen begluecken. Eigentlich komisch, dass bei der ganzen aufgeheizten Diskussion der letzten Monate ueber die drastischen Sparmassnahmen an der Uni immer nur von Faecherstreichungen und Stellenkuerzungen die Rede war. Kein Mensch kommt darauf, dass man ja auch ganz einfach die Haelfte der Studenten einsparen koennte. Ich faende das sehr praktisch!

Im LEERstuhl ist es auch nicht viel besser: wilde Haufen braungebrannter Zweit-, Viert- und Sechssemester (weiter kommen die bei uns sowieso nie; dafuer sorge ich schon!) gammeln im Gang vor meinem Allerheiligsten herum, und ihre lautstarken Palaver, was sie wieder mal fuer tolle Sachen in den Semesterferien angestellt haben, dringt muehelos durch meine Schutzschilde, so dass ich meine gewohnte dreistuendige Siesta in der Haengematte vergessen kann! Sogar in der Cafete kann es passieren, dass ich zweieinhalb Minuten lang anstehen muss, und wenn ich Pech habe, schnappt mir auch noch so ein verfressener Student das letzte Schnitzel vor der Nase weg!

Das missfaellt mir!

Also poste ich in den einschlaegigen, oekologisch verseuchten Studenten-Foren eine Meldung, dass drei Studentinnen nach dem Besuch der Cafete mit Verdacht auf Fuchsbandwurm ins Uni-Klinikum eingeliefert wurden. Am naechsten Tag habe ich wenigstens die Cafete wieder fuer mich - wenn auch die notorischen Sonnenanbeter-Blondinen mit mitgebrachten Rohkostsalaten und Mango-Lassi-Drinks hartnaeckig den Biergarten besetzt halten. Naja, sollen sie ruhig: mit direkter elektromagnetischer Bestrahlung habe ich noch nie was am Hut gehabt. Ausserdem freuen sich dann in zehn Jahren die Hautaerzte, und in einer Zeit, wo alle ueber das Gesundheitssystem jammern, ist das ja endlich mal ein positiver Aspekt!

Um meine persoenlichen Finanzen vor den anstehenden Sparmassnahmen etwas aufzupaeppeln, entwerfe ich mit Photoshop einen sehr amtlich-bayerisch aussehenden Flyer (mit Wappen!), in dem im umstaendlichsten Amtsdeutsch erlaeutert wird, wo und wie man die neu eingefuehrte Verwaltungsabgabe pro Semester einzahlen kann und was man mit dem Einzahlungsbeleg machen soll (im Klo 'runterspuelen; ich druecke es aber vornehmer aus!). Logischerweise gebe ich mein eigenes Privatkonto an; schliesslich gehoere ich im weitesten Sinne auch zur Verwaltung, oder nicht? (Ich verwalte zum Beispiel die Rechner-Accounts und den Email-Server ...) Ich schicke den Flyer durch Frau Bezelmanns 'Ding-von-einer-anderen-Welt' und verteile die 1000 Kopien locker in allen Mensen, Cafeterias und sonstigen Plaetzen, wo sich normalerweise verirrte Erstsemester ansammeln.

Kaum bin ich zurueck in meinem Allerheiligsten und will mich gerade nach einem anstrengenden 42-durch-fuenf-Stunden-Arbeitstag nach Hause verziehen, da klopfte es und eine Studentin streckt ohne Aufforderung den Kopf in mein Buero, obwohl die Schutzschilde noch oben sind! Bevor ich ueberhaupt Luft holen kann, beschwert sie sich, dass sie sich im CIP-Pool nicht einloggen koenne und was denn da wohl los sei. Auch diese Studentin traegt die Designer-Jeans irgendwo auf ... auf ..... aeh ... genau genommen sind da unten keine Knochen mehr oder sonst irgendwas, auf dem man einen Hosenbund aufsetzen koennte; es bleibt also ein Raetsel, wieso die Hose nicht sofort herunter rutscht. (Klebstoff? Muss mal bei Gelegenheit in Google nach Hosenbund-Mastix suchen ...) Genau kann man das aber sowieso nicht sehen, weil die Studentin in den Ferien ganz offensichtlich zu viele Ostereier verschlungen hat, und ihr ansehliches Baeuchlein (bayerisch: Wampe) ueber den Hosenbund quillt und die Sicht versperrt. (Ich seh schon: nach dieser Geschichte werde ich wieder tonnenweise Briefbomben vom Berliner Feministinen-Club 'Rosa Luchse' bekommen...)

Ich setze zu einer geharnischten Strafpredigt an, von wegen hart arbeitende Wissenschaftler bei wichtiger Arbeit stoeren etc., aber dann sehe ich gerade noch rechtzeitig, dass im Gang hinter der Studentin Frau Bezelmann mit dem Diktiergeraet vom Chef lauert. Vermutlich lungert sie schon den ganzen Tag dort herum, um kompromittierendes Material ueber mich aufzunehmen. Das koennte sehr nuetzlich fuer Frau Bezelmann sein, wenn ich sie das naechste Mal wegen ihrer ganzen illegalen Kampfsportkurse ... hm ..... erpresse, die sie seit Jahren aus dem Topf fuer Fortbildungsmassnahmen beim Personalrat finanziert. Ich setze also mein allersuessestes Laecheln auf (ein erschreckender Anblick, der euch zum Glueck erspart bleibt; zumindest noch so lange, wie diese Kolumne noch nicht als taegliche Sitcom verfilmt wird), und sage: "Aber selbstverstaendlich. Ich komme sofort; das werden wir gleich geklaert haben." Wir marschieren an Frau Bezelmann vorbei, die geschickt das Diktiergeraet im Aermel verschwinden laesst, und gehen 'rueber in den dicht besetzten CIP-Pool. Die Studentin setzt sich vor eine Workstation und nimmt einen Zettel vom Tisch, auf dem sie ihre User-Kennung und Passwort notiert hat. Weil Frau Bezelmann immer noch in Hoerweite ist, bleibe ich ganz ruhig und erklaere in vaeterlich-tadelndem Ton, dass man das Passwort aus Sicherheitsgruenden eigentlich nirgendwo aufschreiben und schon gar nicht unbeaufsichtigt herumliegen lassen sollte. "Oh!" sagt die Studentin unglaeubig, und ich mache mir einen geistigen Vermerk, spaeter alles, was unter diesem Account herumgammeln sollte, einschliesslich aller Backups fuer immer vom Angesicht dieses Planeten zu fegen. Dann fordere ich die Studentin auf, doch bitte noch einmal einen Einlogg-Versuch zu unternehmen, damit ich sehen kann, was schieflaeuft. Sie setzt sich in der klassische Hohlkreuz-Positur, die man in Zehn-Finger-Schreibmaschinenkursen eingeblaeut bekommt, an die Tastatur, und hackt ihre Kennung ein. Beim Passwort, das sie natuerlich nicht auswendig kann, beugt sie sich vor, um ihren Zettel lesen zu koennen. Ohne dass sie es mitbekommt, schreibt dabei ihre vorquellende Wampe ein Dutzend Leerzeichen mit ins Passwort! Grosser Core-Dump! Ich schliesse fuer zwei Sekunden die Augen, um nicht gleich in die Luft zu gehen. Als ich sie wieder aufmache, sehe ich aus den Augenwinkeln, dass Frau Bezelmann es aufgegeben und das Feld geraeumt hat. Bestens! "Verblueffend", sage ich Verwunderung heuchelnd. "Lassen Sie mich doch mal!" Ich tippe User und Passwort ein und es klappt natuerlich sofort. Die Studentin ist baff. "Aber ... aber ... wieso ...", stottert sie.

BULLSHIT MODE ON

"Tja", sage ich, "natuerlich gibt es dafuer eine logische(!) Erklaerung. Darf ich fragen, ob Sie Rechtshaender sind?" Die Studentin bejaht dies. "Und Sie essen gerne Milchschokolade?" Die Studentin gibt es unumwunden zu. "Und musisch begabt?" "Naja ..." "Dachte ich's mir doch: Sie sind der typische linksreflektorisch-transponierte Cerebraltypus!" "Wa ... linksreflex ...?" "Linksreflektorisch-transponierter Cerebraltypus. Das ist gar nicht so selten heutzutage: Ihre beiden Gehirnhaelfte geben ihren Fingern zum Teil widerspruechliche Signale. Normalerweise merken Sie nix davon, weil sie ja ueber die Augen kontrollieren koennen, was Ihre Finger schreiben, aber beim Eingeben des Passwortes fehlt dieser Feedback, verstehen Sie? Weil ja das Passwort am Bildschirm nicht dargestellt wird ..." "Ach so, ja ..." "Und weil Sie vermutlich ein linksreflektorisch-transponierter Typus sind, schaffen Sie es nie, das Passwort richtig einzugeben." "Oh ..." "Aber das ist gar kein Problem. Es gibt eine ganz einfache Loesung: Sie muessen die Eingabe nur spiegelverkehrt machen, so dass Ihre rechte Grosshirnhaelfte getaeuscht wird." "Spiegelverkehrt?" "Ja. Da wir hier keinen Spiegel haben, ist es das Einfachste, Sie stellen sich hinter den Bildschirm, greifen mit beiden Armen darum herum und geben von dort aus ein. Am Anfang ein wenig gewoehnungsbeduerftig, aber Sie werden sehen, dann klappt es wenigstens problemlos." Der ganze CIP-Pool hat inzwischen die Arbeit eingestellt und beobachtet verbluefft, wie die Studentin sich 'spiegelverkehrt' einloggt. Zum Glueck haben wir schon moderne LCD-Displays im CIP-Pool, sonst haette es mit der Wampe womoeglich noch Probleme ganz anderer Art gegeben. Die Studentin schafft es auf Anhieb, sich einzuloggen und ist restlos begeistert. Wenn sie wuesste, dass in ein paar Minuten von ihrem Account sowieso nix mehr da sein wird!

Drei Tage spaeter komme ich zufaellig am CIP-Pool vorbei und sehe zu meiner nicht geringen Belustigung gleich drei Studentinnen, die sich gerade 'spiegelverkehrt' einloggen. Und das Beste ist: alle drei sind recht 'guat beiananda'...

Copyright Florian Schiel 2004

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