Es ist Donnerstags, 10 Uhr 55 , ich sitze im meinem Bastard-Mobil und bin auf dem Weg zur Uni. Da ich dem Chef in einem Anfall von unerklaerlicher Kooperationsbereitschaft versprochen habe, schon um 11 Uhr am LEERstuhl zu sein, verzichte ich auf den ueblichen Umweg und Cappuccino-Boxenstop an meinem Stamm-Cafe und nehme die Abkuerzung durch den Seniorenpark, auch wenn dort eigentlich nur Krankenwagen fahren duerfen. Natuerlich und nach Murphy kommt es wie es kommen muss: eine Gruppe von Mummelgreisen hat beschlossen, ausgerechnet jetzt eine Rally auf dem Hauptweg zu veranstalten - komplett ausgeruestet mit allen Gehhilfen, die die geriatrische Forschung bis jetzt hervorgebracht hat. Eine Weile tuckere ich geduldig hinter dem Mummelgreisen her, die allesamt ihre Hoergeraete verlegt haben muessen, denn niemand beachtet mich, wenn ich dezent die 240 PS des Bastard-Mobils aufheulen lasse. Nach 25 Sekunden wird es mir zu bunt und ich beschliesse, die Mummelgreise mit Hilfe meiner 145dB-Fanfare ganz sacht auf meine Anwesenheit aufmerksam zu machen. Ich entriegele also mit routiniertem Griff den roten Sicherheitsschalter, den ich auf einem Dresdner Flohmarkt von einem aserbaidschanischen Haendler erstanden habe, der mir garantiert hatte, der Schalter stamme aus einem ausdienten Atomsilo, und druecke genuesslich auf den Knopf.

Es passiert ... nichts!

Unglaeubig druecke ich nochmal ... Nichts, nicht mal ein erstickter Ruelpser vom Kompressor. Wie peinlich!

Nach weiteren nervenaufreibenden 96 Sekunden biegt die Gruppe der Mummelgreise von selber auf einen Seitenweg ab, und ich bringe den Rest des Seniorenparks mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 hinter mich. Das mit der streikenden Fanfare aergert mich gewaltig. Wo bleibt da schliesslich die viel beschworene Freude am Fahren, wenn man sich im Ernstfall nicht mal auf die grundlegendsten Funktionen seines Bastard-Mobils verlassen kann? (Ich hoffe uebrigens, ihr wisst alle, dass 'Bat-Mobil' nur die Abkuerzung fuer 'Bastard-Mobil' ist ...)

Am LEERstuhl angekommen sprinte ich hinauf in die Elektrowerkstatt, um mir Werkzeug fuer die sofortige Reparatur der Fanfare zu besorgen. Dummerweise laeuft mir der Chef ueber den Weg, der schon ganz kibbelig ausschaut (der Chef, nicht der Weg!). "Ah ... aeh ... Leisch ... aeh ... gut ... aehm ... gut, dass Sie ... hmm ... dass Sie ... aeh ... dass Sie da sind. Wir ... hmm ... wir muessen dringend ueber meine ... hmm ... meine ... aeh ..." "Dings?" helfe ich hoeflich nach. "... meine Dings ... Quatsch ... meine Spesenabrechnung Paris 1997 ... aeh ... aeh ... sprechen..." Richtig! Die Spesenrechnung! Hatte ich ganz vergessen! "Also ... aeh ... Herr ... aeh ... Herr Leisch ... hmm ... ich ... wir ...", faengt der Chef an, aber ich lasse ihn gar nicht erst in die Details abschweifen. "Ich muss leider ganz dringend eine ... aeh ... Demo fuer den stellvertretenden Rektor und eine Wirtschaftsdelegation aus Molvanien vorbereiten", unterbreche ich den Chef. "So?" sagt der Chef ueberrascht, der selber ein Faible fuer Demos hat, "und wann ... hmm ... wann kommen die ... aeh ... die Herren denn ...?" "Aeh ... um drei Uhr Nachmittags", improvisiere ich rasch. Um halb drei geht der Chef naemlich jeden Donnerstag zum Golfen. "Schade ... aeh ... sehr schade ... hmm ... aeh ... richten Sie dem ... aeh ... dem ... aeh ... dem Dekan meine Gruesse ... aeh ... aus ... hmm ... und sagen Sie ihm, dass ... aeh ... dass ich leider verhindert ... aeh ... bin ..." Ich versichere dem Chef wahrheitsgemaess, dass ich dies dem Dekan wortwoertlich ausrichten werde - wenn ich ihn sehe. Dann oeffne ich mit meinem nachgemachten Generalschluessel die Werkstatt der Haustechnik, schnappe mir 30 Kilo Werkzeug und Diagnose-Geraete und schleppe das Zeug hinunter in die Tiefgarage. Das Bastard-Mobil beobachtet mich misstrauisch aus abgeschalteten Scheinwerfern, waehrend ich mich ihm ganz langsam und vorsichtig naehere, damit es nicht schon durch den Anblick der Werkzeuge scheu wird. So und so, erklaere ich ihm mit lauter Stimme (das Bastard-Mobil ist ziemlich taub; das hat vielleicht auch was mit der Fanfare zu tun ...): seine Fanfare sei ja ganz offensichtlich kaputt, also werde ich zuerst mal nur versuchen, herauszufinden, woran es denn liegen koennte. Es tue ganz bestimmt nicht weh, erklaere ich beruhigend dem zitternden Bastard-Mobil. Ich oeffne die Motorhaube und klemme Messstrippen an die Kontakte der Fanfare. Beim Druecken der Hupe passiert nichts: keine Spannung. Ich ueberpruefe die Sicherung, die Kabelzufuehrungen auf Marderbisse, den Durchgangswiderstand des Kompressors: alles ok. Kopfschuettelnd will ich gerade die Messstrippen abnehmen, da geht die Fanfare von selber los!

Habt ihr schon mal eine 145dB-Fanfare ohne Gehoerschutz und Earplugs in einer Tiefgarage erlebt? In eurem Interesse hoffe ich, nicht! Ich geb' euch einen Tipp, Leute: So aehnlich muss sich eine Fliege vorkommen, die sich in einem Rachmaninov-Konzert in der ersten Posaune verirrt hat!

Beim naechsten geparkten Auto poppen saemtliche Radkappen weg. Ein junger Fundamentaltheologe, der gerade mit seinem Volvo die Rampe herunterkommt, verreisst das Steuer und schleudert seitlich in vier geparkte Autos. Eine aeltere Anglistik-Dozentin, die gerade drei Reihen weiter ihr Auto aufsperren wollte, faellt in Ohnmacht. Der Hausmeister, der Hilfshausmeister und der Gehilfe des Hilfshausmeisters, die gerade an anderen Ende der Tiefgarage ihren geliebten Schneepflug fuer den Winter fit machen, erleben mit Grausen, dass alle vier Fensterscheiben der Fahrerkabine ploetzlich Spruenge bekommen. Bei zwei Dutzend geparkten Autos heult die Alarmanlage los, was den Laermpegel aber nur unmerklich anhebt. Die automatische Feuerschutzanlage denkt mit Recht, dass in der Tiefgarage etwas Ungewoehnliches abgeht und schaltet sicherheitshalber saemtliche Sprinkler ein. Nur durch Abklemmen der Batterie gelingt es mir endlich, die hoellische Fanfare zum Schweigen zu bringen. Wuetend gebe ich dem Bastard-Mobil einen Tritt in den Kuehlergrill und drohe ihm, ein Jahr lang nur noch 84 Oktan zu tanken, wenn es so etwas noch einmal machen wuerde. (Uebrigens ein komisches Gefuehl, wenn man schreit so laut es geht, und nichts davon hoeren kann...)

Mir reichts bis obenhin! Ich warte, bis sich mein Gehoer wieder einigermassen regeneriert und die angerueckte Feuerwehr die Tiefgarage wieder freigegeben hat, und fahre dann das Bastard-Mobil hinueber zu einer Vertragswerkstatt. Sollen die sich doch damit herumaergern! Wozu gibt es Profis fuer solche Faelle! Auf dem Weg zur Werkstatt bilde ich mir ein, dass sich in das normale Motorgeraeusch ein haemisches Kichern mischt. Aber das kann auch an den Nachwirkungen des Gehoerschocks liegen. In der Werkstatt erklaere ich dem Meister lapidar, dass die Hupe kaputt sein, und schaue zu, dass ich aus der Halle komme, bevor jemand das Bastard-Mobil anfasst. Ich bin noch keinen Block weit gegangen, da hoere ich das vertraute Geheule der Fanfare loslegen, und ein paar Minuten spaeter kommt mir schon wieder der Loeschzug der Feuerwehr entgegen.

Am naechsten Morgen berichtet mir der wuetende Werkstattleiter, der durch seinen Glaskasten einigermassen geschuetzt war, dass die halbe Belegschaft mit Tinnitus im Krankenhaus liege, und dass sie immer noch nicht wuessten, wieso die Fanfare manchmal von selber losgehe. Aber immerhin sei es ihm inzwischen gelungen, den Diagnose-Chip des Bastard-Mobils auszulesen. "Und wissen Sie, was in der Fehlerdiagnose gespeichert war?" ereifert sich der Werkstattleiter erregt. "Da, wo normalerweise nur die Fehler-Codes stehen?! Wo normalerweise gar nichts anderes gespeichert sein duerfte?!!" Ich versichere vorsichtig, dass ich keine Ahnung haette. Mit vor Wut ueberschnappender Stimme bruellt der Werkstattleiter: "Da steht einfach nur drin: 'Hupe, wenn Du Bastards magst!!!'"

Copyright Florian Schiel 2005

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.