Was zunaechst wie eine mittlere Katastrophe ueber unser beschauliches Universitaetsdasein hereingebrochen ist - ich spreche natuerlich von den neuen Bachelor und Master-Studiengaengen (kurz BA und MA genannt) -, erweist sich im Nachhinein als wahrer Segen fuer jeden Bastard Assi from Hell.

Zum Beispiel schickt mir die Hausinspektion heute einen hoechst offiziellen Brief per Einschreiben (!), dass ich endlich und gefaelligst die Parkkarte zur Tiefgarage abzugeben habe, die sich seit nunmehr 17 Jahren ohne rechtliche Grundlage in meinem Besitz befaende. Ich haette naemlich gar keinen Anspruch auf einen Tiefgaragenplatz, schreiben Sie weiter, weil ich nur 500 Meter von der Uni entfernt wohne und ausserdem keine eigene Garage bei meinem Wohnort nachweisen koenne (s. Anschreiben vom 12.12.1991), weswegen der begruendete Verdacht bestuende, dass ich die Tiefgarage der Universitaet ganz einfach als Dauerstellplatz fuer mein Auto missbrauchen wuerde.

Das muss man sich mal anhoeren! Auf was fuer abstruse, verquere Gedankengaenge so ein paranoides Buerokratengehirn kommt, wenn es den lieben langen Tag nichts Gescheites zu tun hat!

Abgesehen davon haben sie natuerlich vollkommen recht: Mein Bastard-Mobil steht tatsaechlich schon seit ihrer Einweihung in der Tiefgarage der Uni (und zwar in der im ersten Untergeschoss, weil ich die Tiefgarage im zweiten Untergeschoss bisweilen fuer hydromechanische Versuche missbrauche) und ich beabsichtige auch nicht, daran etwas zu aendern.

Mit BA und MA und der Tatsache, dass wir seit Neuestem als Exzellenz-Uni firmieren, ist das alles gar kein Problem mehr.

So und so, schreibe ich lapidar zurueck an die Hausinspektion, im Zuge der Umstellung unseres Studiengangs auf BA und MA ist jeder Dozent verpflichtet, regelmaessige Leistungskontrollen mit den Studenten seiner Kurse durchzufuehren. Da nirgends festgelegt ist, wie diese Leistungskontrollen auszusehen haben, beabsichtige ich, sie einer Exzellenz-Universitaet angemessen in schriftlicher Form als Multiple-Choice-Test abzuhalten. Die Kontrolle erfolgt alle zwei Wochen; jeder Test besteht aus 46 Seiten Papier beidseitig bedruckt. Und derzeit habe ich 154einhalb Studenten in meinen Kursen.
(Anmerkung 1 : Dass die 154 Studenten kurz nach dem ersten Kurstermin alle beschlossen haben, doch lieber Kunstgeschichte zu studieren, geht Niemanden etwas an. Anmerkung 2 : Der halbe Student ist die Dogge des Hausmeisters.)
Das ergibt nach Adam Riese 7107 Blatt Papier, die ich alle zwei Wochen nach Hause und wieder zurueck schaffen muss, weil ich wegen des notorischen Dozentenmangels sowieso nur am Wochenende Zeit habe, die Arbeiten zu korrigieren. Hinzu kommt, dass mir wegen meines aerztlich attestierten Bandscheibenleidens (s. beigefuegtes Attest on Vertrauensarzt Dr. B.E. Zelbub) nicht zugemutet werden kann, diese Papierlasten eigenhaendig zu transportieren, weswegen ich auf die Nutzung der Tiefgarage der Uni aus dienstlichen Gruenden angewiesen bin. Im Uebrigen moechte ich diese Korrespondenz nutzen gleich einen Fahrkostenzuschuss zu beantragen.
Mit freundlichem Gruessen...

Eherne Grundregel im Umgang mit Verwaltungen: Man muss die Burschen immer mit ihren eigenen Waffen schlagen! (Oder gleich ordentlich erpressen!)

Ich bringe den Brief gleich vor ins Sekretariat, damit Frau Bezelmann ihn mit zur Post nehmen kann. Das Sekretariat ist leer bis auf den Raben Nero, der in seinem goldenen Kaefig hockt und mich so giftig anstarrt, als haette ich vor das ganze Sekretariat inklusive seines Jahresvorrats an Rabenfutter zu klauen. Ich oeffne vorsichtig mit einem Briefoeffner die Kaefigtuere und stuelpe mir schnell einen leeren Papierkorb ueber. Nero huepft sofort aus dem Kaefig, dreht versuchsweise ein paar schnelle Runden um meinen papierkorb-geschuetzten Kopf und hackt ein paarmal halbherzig auf den Papierkorb ein. Dann kraechzt er aergerlich und verschwindet im Gang.
Wenn ich Glueck habe, erwischt ein paar Studentinnen im PC-Labor oder Marianne hat wieder mal ihre Buerotuere offen stehen. Dann haben wir wenigstens mal was zu Lachen hier! Gerade als ich wieder abhauen will, bevor Frau Bezelmann auftaucht und unangenehme Fragen bezueglich meiner letzten Spesenabrechnung stellt, laeutet das Telefon.
Ich zoegere unschluessig.
Eigentlich geht mich das Telefon von Frau Bezelmann nichts an. Aber andererseits hat bei mir das Telefon schon sieben Wochen lang nicht mehr geklingelt, seit irgendein Student, der inzwischen als Kloputzer in Tatschikistan arbeitet, frecherweise meine Nummer im Campus-Netz ge-postet hat mit der Bemerkung, wer absolut aus dem Leben scheiden wolle, der solle sich die Schlaftabletten sparen und ganz einfach diese Nummer waehlen. Mit anderen Worten: ich langweile mich allmaehlich zu Tode!
Ich schaue nochmal kurz auf den Gang, ob Frau Bezelmann nicht vielleicht doch schon im Anmarsch ist, dann hebe ich ab.
"Hallo?"
"Aeh ... aehm ... hallo ... hrrrm ... hallo? Sind Sie das ... aehm ... Frau ... Frau ... aeh ... Frau ...."
Der Chef! Unschwer zu erkennen! Ich fluche lautlos vor mich hin und sehe jetzt ein, dass das doch keine so gute Idee war mit dem Abheben, eher vergleichbar mit einem Griff ins Klo!
"Ich bin's, Leisch", sage ich ergeben.
"Ah? Ah! Aehm ... ja, gut, dass ist ja ... aeh ... will sagen ... gut ... aeh ... dass ich Sie gleich ... hm ... ich habe naemlich ... aehm ... naemlich ein kleines ... aehm ... kleines Problem ... hmm ... technisches Problem, ja."
(Aus Gruenden der besseren Verstaendlichkeit geben wir ab hier die Rede des Chefs OHNE die gaenzen 'aeh', 'aehm' und 'hrrm' wieder. Anmerkung des Verfassers.) Was denn los sei, frage ich den Chef.
"Der Akku von meinem Handy ist fast leer", sagt er, "Koennen Sie mich bitte dann zurueckrufen?" Die Verbindung wird unterbrochen.
Ich stehe da mit dem Hoererin der Hand und ueberlege, was das jetzt bedeuten soll. Will der Chef sein Ladegeraet suchen? Aber warum soll ICH ihn dann zurueckrufen? Ich beschliesse, dem Chef fuenf Minuten Zeit zu geben, damit er sein Ladegeraet finden und anschliessen kann, und dann zurueckzurufen. Aber schon laeutet das Telefon wieder und an der Caller-ID sehe ich, dass er es wieder ist.
"Hallo?"
"Hallo Leisch? Warum rufen Sie mich nicht zurueck?"
"Ich dachte, Sie haben keinen Strom mehr und wollten erst Ihr Ladegeraet anschliessen ..."
Der Chef erklaert umstaendlich, dass er gar keine Ladegeraet besitze und sein Handy immer im Auto aufladen wuerde.
"Das Auto hat aber meine Frau, und ich weiss nicht, wo sie hin ist. Aber wenn ich jetzt noch lange rede, ist gleich alles weg. Jetzt rufen Sie mich doch endlich zurueck!"
"Was hat DAS denn damit zu tun?" frage ich verbluefft.
"Na, wenn Sie MICH anrufen, brauche ich doch nicht so viel Strom!"
Ich hole tief Luft und erklaere dem Chef langsam, dass sein Handy zwar weniger Gebuehren berechne, wenn es angerufen wird, aber trotzdem die allgemein gueltigen physikalischen Gesetze es erfordern, dass es genauso viel Strom brauche, wie wenn er mich anrufe.
Kurze Pause in der Leitung. Dann:
"Sind Sie sicher? Fragen Sie doch mal Frau Bezelmann ..."
"Frau Bezelmann ist nicht da und ich bin mir ganz sicher. Wir sollten lieber schnell darueber nachdenken, wie Sie Ihr Handy wieder aufladen koennen. Hmm, sind Sie denn zu Hause?"
Der Chef bejaht dies.
"Und hat Ihre Frau einen Mikrowellenherd? Gut! Dann kriegen wir das ganz schnell hin. Legen Sie das Handy in die Mikrowelle und schalten sie auf 1000 Watt. Mikrowellen induzieren naemlich Spannungen in geschlossenen Schleifen, verstehen Sie? Deswegen darf man ja auch keine Alufolie in die Mikrowelle legen, nicht wahr? Wenn Sie jetzt das Handy hineintun, induziert sich eine Spannung in der Schleife zwischen Elektronik und Akku und laedt den Akku auf. Verstehen Sie?"
Der Chef gibt mir zu verstehen, dass er das verstehe.
"Gut", sage ich, "wichtig ist, dass das Handy eingeschaltet ist, weil sonst keine geschlossene Schleife entstehen kann. Ist ja logisch, oder? Lassen Sie also das Handy an und stecken Sie es fuer mindestens 30 Minuten in die Mikrowelle!"
Der Chef sagt, dass er es gleich versuchen wolle und bedankt sich herzlich fuer die rasche und kompetente Hilfe.
Als ich auflege und mich umdrehe, steht Frau Bezelmann hinter mir und zieht missbilligend die Mundwinkel nach unten.
"Wer war dasss? Wasss issst dreisssig Minuten in der Mikrowelle?!"
"Oh ... aeh ... das war ... das war Marianne aus der Teekueche. Die wollte nur wissen, wie lange es braucht, bis ein mittelgrosser Rabe in der Mikrowelle gar wird."
Frau Bezelmann guckt automatisch auf den leeren Kaefig und schnappt nach Luft, aber bevor sie auf mich losgehen kann, sage ich ganz ruhig:
"Ach uebrigens, der Chef hat gerade hier angerufen. Sein Faxgeraet zu Hause hat keine Papier mehr. Ob Sie ihm nicht ein paar Meter Papier faxen koennten..."

Copyright Florian Schiel 2007