Aus Reiche DDR? Arme BRD! von Ralph Hartmann:


"Die ... Regierung und die ... Opposition liegen im Dauerstreit über die Ursachen der Finanzmisere.
Gegenseitig schieben sie sich die Verantwortung zu.
Nur in einem sind sie sich mehr oder weniger einig:
Die hohe Staatsschuld ist vor allem das Ergebnis der deutschen Wiedervereinigung,
ihr rasantes Wachstum eine Folge der enormen Transferleistungen aus den alten in die
Bundesländer, die sie immer noch als neu bezeichnen.
Hauptursache ist das DDR-Erbe, schuld ist der Osten.
Nun kann freilich niemand bestreiten, daß Ostdeutschland dem Bundesfinanzminister
teuer zu stehen kommt. Die Aufwendungen für Investitionen wie z. B. für den
staatlichen und kommunalen Straßenbau und öffentlich geförderte Häuserrenovierung
sind beträchtlich, ihre Ergebnisse nicht zu übersehen. Viele Milliarden Euro müssen
jährlich in östliche Richtung gelenkt werden, angeblich um doch noch den
selbsttragenden "Aufschwung Ost" zu bewirken;
in Wahrheit dienen sie vorrangig dazu, die schwerwiegenden sozialen Folgen der
Anschlußpolitik und der Zerstörung der DDR-Industrie zu mildern.
...
Die CDU-Bundesgeschäftsstelle verbreitete zur Rechtfertigung der Waigelschen Finanzpolitik
in den 90er Jahren eine Dokumentation, nach der die Bundesrepublik mit der
Vereinigung "Schulden des SED-Regimes in Höhe von rund 500 Milliarden DM" übernommen habe.
Mit dieser Behauptung bewegt sich die Merkel-Opposition exakt in den Fußstapfen
der Kohl-Regierung, die es trotz gegenteiliger Bundestagsbeschlüsse stets
abgelehnt hatte, eine Bestandsaufnahme des volkseigenen Gesamtvermögens der DDR vorzulegen.
Angeblich hatte der ostdeutsche Staat nichts als einen Schuldenberg hinterlassen.
...
Alte Lügen werden, wie man weiß, durch Wiederholung noch lange keine Wahrheit.
In das gesamtdeutsche Bett ist die DDR wahrlich nicht als arme, mittellose Braut
gezwungen worden. Zu ihrer ansehnlichen Mitgift gehörte ein volkseigenes Gesamtvermögen
von rund 1,5 Billionen DM, von dem ein großer Teil bereits in den ersten Ehejahren zum
Nutzen der Reichen und zu Lasten der Steuerzahler verschleudert wurde.
Allein den Wert der volkseigenen Betriebe hatte Detlev Karsten Rohwedder, zweiter
Chef der »Treuhand«-Anstalt, auf etwa 600 Milliarden DM geschätzt, und auch der in
Finanzfragen nicht unbedarfte Oskar Lafontaine hatte den zu erwartenden Erlös aus
der Privatisierungstätigkeit der Anstalt auf 500 bis 1000 Milliarden DM beziffert.
Rohwedders Nachfolgerin Birgit Breuel machte daraus dann in einer historisch einmaligen
Umverteilungsaktion von unten nach oben, von Ost nach West ein Defizit von 270 Milliarden DM,
das die Schuldenlast des Bundes um eben diese Summe schwerer machte.
Und eben weil die "Treuhand" fast die gesamte DDR-Industrie zerstörte, ist jetzt
Jahr für Jahr der Milliarden-Transfer nach Ostdeutschland erforderlich, um zum Beispiel
für die Langzeitarbeitslosen eine kärgliche soziale Hilfe zu finanzieren.

Noch aufschlußreicher allerdings ist in diesem Zusammenhang ein Schuldenvergleich
beider Teile Deutschlands zum Zeitpunkt der Währungsunion. Zum 1. Juli 1990 betrugen
die internen Schulden des DDR-Staatshaushaltes (der auch die kommunalen Finanzen umfaßte)
28,0 Milliarden DM, die Wohnungsbaukredite – die hier angeführt werden, obwohl es gute
Gründe gibt, sie nicht zu den Staatsschulden zu zählen – 38,0 Milliarden DM und die
Verschuldung der DDR gegenüber dem Westen 20,3 Milliarden DM. Damit brachte die
DDR eine Gesamtschuld von 86,3 Milliarden DM in die staatliche Einheit ein.
Die gesamte Schuld der öffentlichen (staatlichen und kommunalen) Haushalte der
Bundesrepublik belief sich zu diesem Stichtag auf 924 Milliarden DM.
Allein im Jahrzehnt bis zur Währungsunion hatte sich die bundesdeutsche Staatsschuld
verdoppelt, ein Wachstumstempo, das sich auch danach nicht änderte. Die ach so
verschuldete ostdeutsche Braut hatte sich mit einem über beide Ohren Verschuldeten eingelassen.

Obwohl die DDR unvergleichlich weniger auf Pump gelebt hatte als die BRD, wurde
die Verschuldung der öffentlichen Hand brüderlich und schwesterlich geteilt.
Wenn schon nicht bei den Renten, Löhnen, Gehältern und schon gar nicht in den Köpfen,
so wurde die Einheit wenigstens in der Pro-Kopf-Verschuldung herbeigeführt.
Vor der Feier der Staatshochzeit lag sie im Osten bei 5298 DM und im Westen bei 16 586 DM.
Danach betrug sie für alle Deutschen vom Rhein bis an die Oder, vom Säugling bis zum
Greis 12 841 Mark. Statistisch gesehen übernahmen die neuen Bundesbürger pro Kopf 7543 Mark
der BRD-Schulden. Auch in dieser Beziehung erwies sich das an die DDR-Bürger großzügig
gezahlte 100-Mark-Begrüßungsgeld als eine vorteilhafte Investition."

Aktuelle Zahlen: http://www.staatsverschuldung.de/schuldenuhr.htm