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Feiner Schneegries wurde zart vom Wind vor sich hergetrieben.
Die Weihnachtsbeleuchtung zauberte wunderbare Lichteffekte auf die Schlieren
des wirbelnden Schnees.
Es war der 9. Dezember 1995, noch drei Wochen bis Weihnachten. Der
Tauentzien in Berlin, dieser Wurmfortsatz des Kurfuerstendamms. Zwischen
Gedaechtnisskirche und Wittenbergplatz hetzten an diesem "langen Samstag"
berliner Familien, Paerchen sowie kleinere Touristengruppen umher.
Waehrend die einen schon voellig ueberladen mit den Einkaufstueten kaempften,
waren andere vorwiegend damit beschaeftigt, ihre Kinder hinter sich her,
bzw. von den diversen Berufsweihnachtsmaennern fortzuzerren.
Irgentwie hatte die Szene etwas das so gar nicht zum Fest der Besinnung
und der Liebe passen wollte. Da schrie eins der fortgezerrten Kinder, dort
ohrfeigte eine Frau ihren, ob der vielen Tueten und Pakete wehrlosen,
Mann, weil er vergessen hatte in welchem Parkhaus sie ihr Auto geparkt
hatte.
An der Ecke Nuernberger Strasse wurde ein alkoholisierter Obdachloser von
sechs groelenden Skinheads zusammengeschlagen. Waehrend der wenigen Minuten
die sie dafuer benoetigten, ehe sie sich an den naechsten Gluehweinstand
begaben, um ihren Sieg ueber den Volksschaedling zu feiern, waren bestimmt
zweihundert Menschen vorbeigegangen oder geschoben worden. Keiner hatte
eingegriffen oder auch nur etwas dazu gesagt bis auf einen alten Mann im
Kamelhaarmantel mit Pelzkragen. Er hatte seinen Silberknaufkrueckstock
geschwungen und Sieg Heil gebruellt.
Ploetzlich kam jedoch Interesse bei den Passanten auf: ein dunkelblauer
Mercedes, der die Busspur benutzt hatte um schneller vorwaerts zu kommen,
hatte beim Einscheren wegen eines haltendes Busses einen alten klapprigen
Golf gerammt, der nicht gebremst hatte, sondern mit drei Metern Abstand im
Stau seinem Vordermann gefolgt war.
Als nun beide Fahrzeuglenker ausgestiegen waren und der Golffahrer sich
als Fahrerin , noch dazu mit bunten Haaren herausstellte, waren die
Parteien schnell gefunden. Waehrend ein nickelbebrillter Herr, der sich als
Oberstudienrat Kasmierzky vorstellte, die Partei der buntbehaarten
ergriff, war sich die Mehrheit der Umstehenden sofort einig, dass solch
asoziales Hausbesetzergesindel an allem Schuld sei.
Schlieslich haette Sie doch dem Herrn Rechtsanwalt, als der sich der
Daimlerfahrer im blauen Nadelstreifen herausgestellt hatte, den Vorrang
gewaehren koennen. Schlieslich haette der ja wohl nicht die Busspur genutzt,
wenn er es nicht eilig gehabt haette zu einem wichtigen Termin zu kommen.
Waehrend die inzwischen vom Gluehwein seligen Skinheads sich daran machten
immer schoen abwechselnd in die Tueren des Mercedes zu treten und das Dach
des Golf mit Baseballschlaegern zu bearbeiten, war auch die Frau aus der
Nobelkarosse gestiegen und hatte angefangen auf die Golffahrrerin loszu-
gehen. Erst hatte sie ihr eine Ohrfeige versetzt, was diese mit einem
Tritt gegen das Schienbein quittierte.
Jetzt kam es zu Szenen wie in einem Boxerzelt auf dem Jahrmarkt. Laute
Anfeuerungsrufe brandeten auf. Die Bunthaarige antwortete auf einen
Faustschlag indem sie ihrer Kontrahentin den Pelz vom Leib riss und darauf
triumphierend herumtrampelte. Diese lies derartigen Umgang mit ihrem
muehsam im Ehebett erarbeiteten Luxus nicht ohne Gegenschlag. Noch ehe die
Mueslischlampe sich versah hatte ihre Folklorebluse unter den reissenden
Haenden der vornehmen Dame den Geist aufgegeben.
Nun kam Stimmung in die Sache, waehrend die Touristen und auch die
Skinheads Beifall klatschten ob der ploetzlich freigelegten BH-Losen
Brueste, versuchten die Muetter und Vaeter ihren Nachwuchs von diesem
unanstaendigen Anblick fernzuhalten.
Der Studienrat hatte sich zwischenzeitlich seines Parkas entledigt und
begonnen seine im Sportfernsehen erworbenen Wrestlingkentnisse am Anwalt
auszuprobieren. Dieser war erstmal angehoben worden und auf das Plaster
geschleudert worden. Waehrend die Barbusige ihre Gegnerin mit kurzen Haken
bearbeitete kam der Jurist auf die Beine und schleuderte seinen Gegner
gegen einen am Strassenrand stehenden Muellcontainer. Er bewies seinerseits
das auch er bei Kampfsportuebertragungen aufgepasst hatte indem er mit
beiden Beinen gleichzeitig in das Gesicht des Paedagogen sprang.
Auf Anregung der Umstehenden hatte die Anwaltsgattin inzwischen ebenfalls
die Freilegung ihres Oberkoerpers erfahren. Irgendwie sah das jetzt richtig
Professionell aus wie die beiden schweisnassen Frauenleiber sich umtanzten
und Haken und Geraden austauschten. Viele die sich auf den Boxkampf
zwischen Schulz und Botha im Fernsehen gefreut hatten waren sich einig,
dass so ein Frauenkampf doch etwas besonderes sei.
Nachdem auch der sechste Mannschaftswagen eingetroffen war hatte die
Polizei endlich den Mut gefunden einzugreifen. Waehrend es sich der
goldbesternte Einsatzleiter nicht nehmen lies persoenlich die Verhaftung
der Bunthaarigen durchzufuehren und dabei mehrmals voellig unbeabsichtigt an
ihren vollen Bruesten abglitt, war es den jungen Maennern aus der Polizei-
schule vorbehalten den Studienrat zu ueberwaeltigen. Die andren Mitglieder
des Einsatzkommandos versuchten derweil den Anwalt ohne Gewaltanwendung in
den Einsatzwagen zu draengen, schlieslich will man ja keinen Prozess wegen
Koerperverletzung im Amt riskieren.
Die Skinheads hatten sich zwischenzeitlich von ihren jungen Kollegen
verabschiedet und waren in Richtung Polizeikaserne aufgebrochen.
Jetzt waren endlich alle Randalierer im Polizeigewahrsam. Der erste
Einsatzwagen setzte sich in Bewegung und raste mit Blaulicht auf die
Kreuzung. Hier nun zeigte sich wie gut es ist, dass es im Westteil der
Stadt nicht diese fuerchterlichen, Umweltfreundlichen aber gefaehrlichen
Strassenbahnen gibt. Ein Zusammenstoss mit einer solchen haette der
Polizeiwagen sicher nicht ueberstanden. So bohrte er sich nur in einen
Linienbus schleuderte nach rechts und kam mit mittelmaessigem Frontschaden
zum stehen nachdem er mit der Seite noch gegen den Notarztwagen gerutscht
war, der zum Abtransport der verletzten Polizeischueler eingetroffen war.
Waehrend die Ordnungshueter nun mit sich selbst mehr als beschaeftigt waren,
nutzten einige inzwischen eingetroffene Berufslinke die unerwartete
Strassensperre um eine Spontandemonstration ins leben zu rufen. Binnen
kurzem waren alle moeglichen Gegenstaende von Cirkusplakaten bis zu den
Sexbarschildern eines Sandwichmanns zu Plakaten fuer alles moegliche
geworden. Da die Demo nicht geplant war hatte es ja keine einheitliche
Loesung gegeben, wofuer oder wogegen es eigentlich ginge.
Waehrend eine junge Tuerkin gegen das Walschlachten der Norweger
Protestierte lief an ihrer Seite ein Baertiger mit Norwegerpulli der gegen
die Menschenrechtsverletzungen in der Tuerkei ein ehemaliges Plakat fuer den
Verkauf von heissen Maroni zweckentfremdet hatte.
Die groesste Gruppe bildeten diejenigen, die gegen den Bundeswehreinsatz in
Bosnien waren oder Soldaten als Moerder entlarven wollten, schlieslich
durften sie ja mit hoechstrichterlicher Genehmigung Tucholski zitieren.
Binnen kurzer Zeit hatten sich alle, die es irgentwie einrichten konnten,
der Protestgemeinschaft angeschlossen. Auch wenn die meisten gar nicht
wussten worum es ging, hatte sich doch bald der Bereich vom Cafe Kranzler
bis zur versperrten Kreuzung mit allen moeglichen Demonstranten gefuellt.
Eigentlich haette man nicht vermutet, dass es mitten in diesem Konsumrummel
so viele politisch bewusste und auf eine bessere Weltordnung versessene
Mitmenschen gibt.
An der Spitze des Zuges hatten sich derweil zwei Obdachlose mit einem
Uniprofessor sowie einem Vorstandsmitglied der PDS ueber einen guten und
nuetzlichen Demonstrationszweck geeinigt. Nachdem der Notarztwagen
umgeworfen war, war der Weg zum neubestimmten Ziel der Spontanzusam-
menrottung frei. Unter absingen der Internationale machte sich der Zug
daran ueber das Kadewe herzufallen. Nachdem im Eingangsbereich einige
Kunden unter den Tritten des Revolutionskommandos den Tod gefunden hatten,
reagierte die Geschaeftsleitung und verschanzte sich mit den Mitarbeitern
in der Lebensmittelabteilung im sechsten Stock.
Den meisten Kunden gelang es ueber die Parkhausuebergaenge zu entkommen.
Einige rannten auch geistesgegenwaertig in die Schreibwaren und Stoffab-
teilung und versahen sich mit Transparenten und Plakaten, um sich unauf-
faellig unter die Angreifer zu mischen.
Eine Aushilfsverkaeuferin der Abteilung fuer Herrenhuete hatte sich
unterdessen den Anfuehrern des Besetzungskommandos als Beraterin zur
Verfuegung gestellt und dem Revolutionsrat, der neben dem Uniprofessor, den
Obdachlosen und dem PDS'ler nun noch aus einem Vertreter des DGB, einer
Nonne und einem ehemaligen FDP Abgeorneten bestand, in den Verwal-
tungstrakt gefuehrt. Somit war es moeglich die Aktionen ueber das Hauseigene
Lautsprechersystem zu steuern.
Da es sich mit leerem Magen schlecht Revolutioniert und die Lebensmit-
telabteilung ja vom Personal verteidigt wurde, beschloss man zuerst die im
Erdgeschoss befindliche Suesswarenabt. aufloesen zu lassen und Schoko-
weihnachtsmaenner und Lebkuchen zur Staerkung des Soviet heranzuziehen. Auch
wurde nicht vergessen ein Kommando in den Davidoff-Shop zu senden, welches
auf dem Weg zur Kommandozentrale noch kurzerhand ein paar Walkie-Talkies
und zwei tragbare Computer zur Koordination des Unternehmens beschlag-
nahmte.
Eh es nun die weitere Durchfuehrung des Kommandounternehmens geklaert werden
konnte, waren die Mitglieder des Revolutionsrates erstmal zwei Stunden
damit beschaeftigt mit Fernsehteams von RTL, SAT1 und PRO7 ueber die Sende-
rechte fuer Liveuebertragungen aus dem Kaufhausinneren zu verhandeln.
Schlieslich gingen nach zaehen Verhandlungen die RTL Leute als Sieger
herhor. Zwar hatte SAT eins eine Million mehr geboten, aber auch darauf
bestanden Margarethe Schreinemakers als Moderator einzusetzen. PRO7 zog
sein Angebot zurueck, nachdem der Revolutionsrat erklaert hatte die Rechte
nur an den Sender zu vergeben wenn Arabella Kiesbauer oben ohne moderieren
wuerde. Somit war dann der Weg fuer RTL frei die Rudi Carell und den ausge-
liehenen David Letterman angeboten hatten.
Da das nun geklaert war, begann man die Ziele des Unternehmens zu praezie-
sieren. Als erstes machte man sich daran die Stromversorgung des Schlem-
merbereiches zu unterbrechen. Wenn dem Personal das gekuehlte Bier und die
warmen Speisen ausgehen wuerde, haette man es bestimmt einfacher diesen
letzten Widerstand zu brechen.
Dann wurden Aussenteams gebildet. Als erstes mussten das Fernsehgebaeude des
SFB, alle Kraftwerke und die Steuerung der U-Bahn in die Haende der
Umstuerzler gebracht werden. Als weiteres Ziel wurde der Flughafen Gatow
bestimmt. Dort war leistungsfaehiges militaerisches Geraet zu finden, um mit
Luftunterstuetzung alle Widerstandsnester des Gegners, wie Polizeistationen
und vor allem den Preussischen Landtag, in dem sich die Landesregierung zur
Krisensitzung zusammengefunden hatte, auszuraeuchern.
Auftrieb erhielt das Unternehmen als zeitgleich zwei Kommandounternehmen
bekannt wurden, die das Alsterhaus in Hamburg, sowie die Karstadtfilliale
in der Muenchner Innenstadt in ihre Gewalt gebracht hatten. Als dann noch
ein Telegramm aus Moskau eintraf, in dem ein altkommunistisches
Militaerkommitee atomare Unterstuetzung anbot, war klar das hier etwas
grossartiges im Gange war. Nicht mehr der Weihnachtsrummel war angesagt,
nein die anarchistische Revolution wuerde ueber ganz Europa schwappen und
mit etwas Geschick wuerde man es schaffen auch die dritte Welt von den
Fesseln des amerikanischen Imperialismus zu befreien!
Alles war auf dem Weg in eine bessere Welt, nie wieder wuerden Menschen von
Konsumzwaengen unterdrueckt werden. Aus Bonn und Den Haag trafen dann auch
die ersten Kapitulationsmeldungen der dortigen Regierungen ein. Allerdings
hatte sich der Bundeskanzler mit einer Luftwaffenmaschiene in die USA
absetzen koennen und wurde dort von der Kongressmehrkeit zum Nachfolger
Bill Clintons gewaehlt, der sich zusammen mit seiner Katze vergiftet hatte.
Nach drei Tagen hatte sich die Lage einerseits eingependelt, andererseits
war sie Brisanter denn je. Die unter dem Kommando der Revolutionaere
stehenden Nuklearstreitkraefte der ehemaligen Sovietunion und Englands,
standen den Truppen der USA, unter dem Befehl des ehemaligen Bundes-
kanzlers und der franzoesischen Force de Frappe gegenueber, die sich unter
dem Oberkommando des Erzbischofs von Paris befand, nachdem der Praesident
der Republik es vorgezogen hatte sich mit einigen seiner Minister nach
Nordafrika abzusetzen, wo sie von einer Gruppe islamischer Fundamen-
talisten ueberwaeltigt wurden. Nach einer unbestaetigten Version gelang es
jedoch dem ehemaligen Praesidenten und seiner Frau zu entkommen und in
Casablanca auf ein Visum in die USA zu warten.
Was nun das Folgende ausloeste weis noch heute niemand zu sagen. Jedenfals
erschienen ploetzlich ueber allen Grossstaedten der Welt seltsam geformte
Raumschiffe. Ruhig standen sie in der Luft und tauchten alles in ein
gespentisches buntes Licht. Das Bemerkenswerteste jedoch war, dass diese
fliegenden Kolosse nicht einfach stumm blieben oder infernalischen Laerm
veranstalteten. Nein, vielmehr war ein Geraeusch in der Luft, als wenn
tausend Harfen auf einmal angeschlagen wuerden um ein Bachoratorium zu
intonieren.
In den Kommandozentren der Machtbloecke war man ob des unerwarteten Gegners
erstmal ratlos. Koennte man einen Angriff der Ausserirdischen uebertehen?
War es gegebenenfalls sogar moeglich den Gegner in die Flucht zu schlagen?
Das Problem wurde selbstverstaendlich dadurch verschaerft, dass die Militaers
der Revolution und der Konterevolution sich nicht ihrer Geheimhaltung
entboessen wollten und daher keine Koordination der Vorgehensweise gegen die
Aliens moeglich war.
Dann aber passierte es: in den Raumschiffen oeffneten sich hunderte von
Luken. Begleitet von einem Klang der sich wie die Weihnachtsmusik in den
Kaufhaeusern der vorrevolutionaeren Zeit anhoerte, wurden Tausende und
Abertausende von kleinen Flugkoerpern ausgespuckt.
Alle hatten das selbe Aussehen, sie aehnelten einem Schlitten, wie wir ihn
noch aus Kinderbuechern kennen und wurden von Hirschen mit Bastgeweih
gezogen. Auf jedem Schlitten sass ein Wesen in roter Kleidung mit einem
langen, wallenden weissen Bart.
So kam es, dass die Revolution scheiterte und auch die Regierungen des
Kontrablocks abdankten. Die Ausserirdischen uebernahmen die Macht und nun
sitzen an allen Schluesselstellungen der Weltregierung und der Verwaltungen
Weihnachtsmaenner. Aber das war ja vorher auch nicht anders und so geht
alles seinen lauf.