Auf dem Klo löst sich plötzlich das Uhrenarmband, und meine Uhr fällt ins Pissoir, dass es spritzt. Diese Spritzer bringen das Fass zum Überlaufen!
Ich habe im Prinzip nichts gegen Regen. Überhaupt nicht! Wenn es nicht ab und zu ein bisschen spritzen würde, warum sollte man noch im Urlaub auf die Bahamas fahren? Und die ganzen Blumenrabatten in den städtischen Grünanlagen! Bloss vom Gepinkel der Penner können sie doch nicht überleben!
Und die ganzen arbeitslosen Metereologen, die wir hätten, gäbe es nicht das Sturmtief über Irland, den Föhn und das Azoren-Hoch. Also, wie gesagt, ich habe nichts gegen Regen, jedenfalls nicht prinzipiell, wenn ihr versteht, was ich meine.
Aber bitte nicht mitten im Juni! Und nicht, wenn ich mit der kleinen blonden Datentypistin aus dem statistischen Landesamt gegenüber zum Eis-Essen verabredet bin!!!

So wie heute!

Gerade hat sie mir eine email geschickt, dass sie es bei 'diesem Wetter kaum für sinnvoll halte, im Eis-Cafe zu sitzen'.
Während draussen immer noch dunklere Wolken aufziehen, fällt mein Stimmungsbarometer auf Unterdruck. So etwas kann sehr gefährlich sein - vor allem für meine nähere Umgebung.

Ich verbinde den funkgesteuerten Dataport mit der Tastatur-Schnittstelle meiner Workstation und gehe hinunter in die Cafeteria. Ich setze mich dem Eingang gegenüber und beobachte die Studenten, die von draussen hereinkommen. Jeder, der einen Schirm trägt und den ich in den Web-Pages identifizieren kann, wird von der Account-Liste gelöscht. Manche kommen sogar bei diesem Sauwetter mit dem Fahrrad; wo sie sich mit ihren durchweichten Regen-Ponchos niederlassen, bilden sich kleine Seen am Fussboden. Ein paar kann ich trotz der nassen Haare identifizieren und kopiere ihre Web-Konterfeis auf die Fahndungsliste des BKAs in Wiesbaden (Rubrik: Besonders gefährliche Terroristen). Eine grosse Doktorandin aus der Verbundtechnik kommt mit ihrem triefenden Hund an meinem Tisch vorbei, und das Vieh schüttelt sich gerade neben mir, dass die Fetzen fliegen.
"Oh", sagt sie, "das tut mir aber leid!"
"Das macht doch nichts", sage ich zuckersüss und tupfe mein Croissant mit der Serviette ab, "ich liebe Hunde."
Ich grinse das nasse, stinkende Vieh mit gefletschten Zähnen an. Der Hund knurrt ängstlich und versucht sich hinter seiner Herrin zu verstecken.
Ich gehe in ihren Account (der Doktorandin, nicht des Hundes!) und bewege alle Kapitel ihrer Doktorarbeit nach '/tmp'. Viel Spass beim nächsten Booten!

Weil kein anderer Platz mehr frei ist, setzt sich die Doktorandin unaufgefordert zu mir. Der Hund verzieht sich grollend unter den Tisch und beschnüffelt dort misstrauisch meine Käsesocken.
"Was haben Sie denn da?" fragt sie neugierig und zeigt auf den Dataport.
Ich starte schnell mein modifiziertes 'Eliza'-Programm und sage:
"Das ist mein persönlicher digitaler Lebensberater. Ich treffe keine Entscheidung ohne ihn vorher zu konsultieren."
Die Doktorandin schaut ungläubig.
"Sehen Sie her", sage ich, und rücke meinen Stuhl hinüber zu ihr. "Jetzt zum Beispiel stehe ich vor der Entscheidung, ob ich noch einen Kaffee bestellen, oder lieber meinen Magen schonen solle..."
Ich tippe ein: 'Soll ich noch einen Kaffee trinken?'
Als Antwort erscheint sofort: 'Warum belästigst du mich immer mit deinem dämlichen Kaffee?'
"Er ist heute ziemlich schlechter Laune", bemerke ich entschuldigend, "wahrscheinlich das Wetter..."
Ich tippe ein: 'Was ist nun mit dem Kaffee?'
Antwort: 'Vergiss den Kaffee!"
"Sehen Sie?", sage ich seufzend, "Er weiss eben immer, was gut für mich ist..."

Die Doktorandin ist noch nicht überzeugt. Deshalb ist sie wahrscheinlich auch Doktorandin geworden und nicht schon im Vordiplom weggeheiratet worden.
"Lassen Sie mich mal!" sagt sie energisch und zieht den Dataport zu sich herüber.

Sie tippt: 'Wie heissen Sie?'
Antwort: 'Seit wann siezen wir uns?'
Sie tippt: 'Wie heisst Du?'
Antwort: 'Wieso duzen Sie mich?'

Die Doktorandin schaut verdutzt.
Ich sage erklärend: "Seit er den zweiten Floatingpoint-Prozessor hat, scheint er ein bisschen schizophren zu werden..."
Sie wirft mir einen typisch weiblichen Seitenblick zu und tippt wieder:

'Ich habe ein Problem mit Bruno, meinem Hund.'
Antwort: 'Erschiessen Sie ihren Hund!'

Die Doktorandin schnappt nach Luft. Sie kann nicht wissen, dass meine Version von Eliza immer den Gebrauch von Schusswaffen empfiehlt, sobald das Wort 'Problem' in der Eingabe auftaucht.
Die Doktorandin schaut mich empört an. Ich zucke resigniert mit den Schultern und ziehe die Augenbrauen hoch

Sie hackt wütend: 'Das war aber ein idiotischer Ratschlag!'
Antwort: 'Sie brauchen deshalb nicht ausfallend zu werden! Haben Sie Probleme im Bett?'

Eine von fünf Standard-Antworten für Anfragen, die mit einem '!' enden. Die junge Dame reagiert mit einen gar nicht damenhaften Kraftausdruck.
"Ich glaube, er ist heute nicht besonders gut zu haben", sage ich besänftigend und versuche vorsichtig, den Dataport wieder an mich zu nehmen. Aber die Doktorandin, inzwischen knallrot in Gesicht, klammert sich wütend an der Tastatur fest. Der Hund unter dem Tisch knurrt drohend.

Sie tippt: 'Ich glaube, Sie haben eher selbst Probleme!'
Die Antwort kommt prompt:
'Seit wann siezen wir uns? Erschiessen Sie sich selbst! Kein Grund, so zu brüllen!'
Sie tippt: 'Ich habe nicht gebrüllt.'
Antwort: 'Streiten Sie immer alles ab?'

Die typische Reaktion des Programms auf das Wort 'nicht'.
Die erregte Doktorandin packt den Dataport mit beiden Händen und will in auf die Tischkante schmettern. Gerade noch rechtzeitig kann ich das 50.000-Mark-Gerät vor der endgültigen Vernichtung bewahren und aus der Cafeteria flüchten. Erst vor dem Aufzug allerdings gelingt es mir, den Hund abzuschütteln, der geifernd an meinem Hosenbein hängt.

Auf dem Gang begegnet mir der Chef. Er sieht meine zerfetzten Beinkleider.
"Oh... äh... ist Ihnen ein... ein... äh... ein Dings... na!... ein Dackel in die... äh... Quere gekommen?"
"Nein", sage ich bitter und betrachte den Schaden, "das ist nur der neueste Schrei aus New York: Man kauft einen Armani-Anzug und zerfetzt dann knapp unter den Knien die Beinkleider."
Und das ist nicht mal gelogen! Zumindest der letzte Teil nicht. Aber der Chef legt ernsthaft den Kopf schief und sagt:
"Aber... das... hmm... das ist gar kein... äh... kein Armani..."
"Stimmt!" sage ich. "Aber es war auch kein Dackel!" und verschwinde in die relative Sicherheit meines Büros.


© Copyright Florian Schiel 1998

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