Manchmal fragen mich die Studenten auch mal was...

Doch, doch, das kommt vor! Man sollte zwar meinen, sie interessieren sich nur für Techno-Rapperschrott, die neueste Tommy-Buttfucker-Mode oder wie sie ihre Sitznachbarin / ihren Sitznachbar am schnellsten ins Bett bekommen könnten. Aber manchmal kommt es tatsächlich vor, manchmal stellen sogar Studenten einem Assistenten wie mir eine richtige Frage. Daher ist es für den erfolgreichen Assi lebenswichtig, in jeder Lebenssituation, einen Haufen Bullshit bereitzuhalten, mit dem man das Fussvolk beeindrucken kann. (Im Prinzip praktizieren das die grossen Religionsgemeinschaften seit 5000 Jahren so, und es funktioniert immer noch grossartig!) Meistens zielen allerdings alle Fragen der StudentInnen (da war's wieder mal!) mehr oder weniger direkt auf die drei wichtigsten Dinge im Leben: Money, money and money!

So wie heute.

Ein Grüppchen feixender Youngsters in Tommy-Buttfucker-Jacken, deren Taschengeld von Papa wahrscheinlich doppelt so hoch ist wie mein Gehalt als Assistent, stehen nach der Einführungsvorlesung auf dem Flur und gucken mir erwartungsvoll entgegen, wie ich mit meinem DVD-Laptop aus dem Übungsraum komme. Der Wortführer, ein über und über mit ausgeätzten Aknenarben bedeckter, schlaksiger Jungspunt, fragt mich aufmüpfig, ob er mir auch mal eine nicht-technische Frage stellen darf.
Ich senke gnädig zustimmend meine Augenlider.
"Wie können wir eigentlich mit dem ganzen theoretischen Zeug, was wir hier an der Uni lernen, später WIRKLICH Geld machen?"
"Ausgezeichnete Frage", sage ich, "die Antwort ist: Mit Hilfe des 'Carp Models'!"
"Häh? 'Carp Model'?"
Die ganze Gruppe glotzt tibetanisch; wenigstens haben sie aufgehört, so behämmert zu grinsen. Ich stelle behutsam meinen Laptop ab, verschränke die Hände hinter dem Rücken, starre mit gerunzelter Stirne an die Deck und wippe mich sacht auf den Zehenspitzen. Körpersprache ist in unserem Beruf so wichtig wie für amerikanische Präsidentschaftskandidaten. Nach einer Kunstpause von 4einhalb Sekunden beginne ich zu dozieren:
"Das 'Carp Model', zu deutsch das Karpfenmodell, wurde 1968 von B.G. und mir entwickelt und besagt in seiner Kurzform, dass jeder wirtschaftliche Prozess von der Produktion bis zur endgültigen Entsorgung, so weit wie möglich vom demjenigen finanziert werden sollte, der das Geld hat:
dem Konsumenten.
Ich werde Ihnen das an einem Beispiel erläutern:
Stellen Sie sich einen malerischen See in idyllischer Landschaft vor. Logischerweise kommen zahlreiche Touristen und Erholungssuchende zu diesem paradiesischen Fleckchen und bringen vor allem drei Dinge mit:
Langeweile, Hunger und Geld. An diesem See gibt es ein Restaurant, dessen Besitzer ein kluger Mann ist. Er hat im See wohlschmeckende Karpfen ausgesetzt, und nun passiert folgendes: Zunächst steht da ein grosser Verkaufsautomat, an dem man Fischfutter für die Karpfen kaufen kann. Besonders die Kinder der hungrigen, gelangweilten und reichen Gäste können nicht widerstehen. Durch den ununterbrochenen Zustrom der Gäste werden die Karpfen dick und fett. Als nächstes verleiht der Besitzer des Restaurants für einen Spottpreis Anglerausrüstungen an die Gäste. Da bekanntlich die meisten Angler, diesen 'Sport' nicht ausüben, weil sie hungrig sind, sondern vielmehr eine Ausrede brauchen, damit ihre Begleiterinnen endlich mal den Mund halten müssen ('Liebling, du verscheuchst mir die Fische!'), ist es überhaupt kein Problem, dass der Restaurantbesitzer allen gefangenen Fisch für sich beansprucht. Die beleidigten Ehefrauen oder Freundinnen, denen man den Mund verboten hat, sind derweil zufällig der Frau des Restaurantbesitzers über den Weg gelaufen, die sie informiert, dass gegen eine lächerliche Gebühr von 60 Mark die Stunde heute ausnahmsweise ein Kochkurs 'Karpfen blau' stattfindet. Die Damen sind begeistert.
Während also die Kinder weiter die Karpfen mästen, die Männer die Karpfen angeln und die Frauen mit der Zubereitung derselben beschäftigt sind, hat der Restaurantbesitzer gerade noch Zeit, die Preise für das heutige Mittagsmenu anzuschreiben. Natürlich gibt es heute eine Spezialität des Hauses: Frisch gefangener Karpfen, für nur 36 Mark"

Die Studenten gaffen mich an. Ich lächele freundlich.

"Das ist das ganze 'Carp Model', meine Herren. Jetzt müssen Sie nur noch ein paar Vertauschungen vornehmen. Zum Beispiel machen wir den Karpfen zu 'Windows 98' und das Angeln nennen wir 'Customer Beta Testing', und so weiter..."

"Aber", wagt der Pickel-Jungspunt einzuwenden, "die Geschichten über Sie werden doch auch kostenlos im Netz verteilt. Widerspricht das nicht dem 'Carp Model'...?"
Ich seufze unterdrückt. Ein Pädagoge hat es manchmal schon wirklich schwer.
"Ja, haben Sie denn nicht verstanden? Haben Sie denn wirklich nicht verstanden?!"
Nein, haben sie offensichtlich nicht.
"Im 'Carp Model' gibt es auch etwas umsonst - um die Opfer erstmal anzulocken. Na? Na?!"
"Der See, und... äh... die idyllische Landschaft?" schlägt einer der Studenten vor.
"Bingo!" sage ich. "Ich kann es Ihnen ja ruhig verraten, dass ich inzwischen an einem neuen Internet-Browser-Plugin speziell für Bastard-Geschichten arbeite. Die Geschichten werden dann natürlich kodiert und sind nur noch mit dem - selbstredend kostenpflichtigen - BAFHReader-23 lesbar. Alle 3 Monate braucht man einen - ebenfalls kostenpflichtigen - Upgrade, sonst fängt der BAFHReader-2.3 an, gnadenlos die schönsten Pointen beim Dekodieren zu unterdrücken. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie grausam es ist, wenn am Ende einer guten Story die Hauptpointe in nichtssagenden Pünktchen endet!"
Ich grinse mein diabolischstes Grinsen, und die Studenten gaffen mich an, als ob mein Chef persönlich (nicht DER Chef; der wirkliche Chef natürlich!) vor ihnen erschienen wäre.

In diesem Moment biegt Frau Bezelmann in Begleitung des Chefs um die Ecke (nein, nicht der WIRKLICHE Chef; diesmal ist es der, den ihr alle kennt; von dem anderen solltet ihr euch sowieso besser fernhalten!). Der vorlaute Jungspunt prescht vor und ruft dem Chef begeistert zu:
"Herr Leisch hat uns gerade das 'Carp Model' erklärt. Denken Sie auch, dass das 'Carp Model' das Wirtschaftsmodell der Zukunft ist?"
Der Chef sagt: "Ähm... hrrrm... ja... äh..." und versucht verzweifelt sich zu erinnern, welches der vielen Projekte am LEERstuhl mit 'Carp Model' gemeint sein könnte.
Frau Bezelmann kneift grimmig ihre dünnen Lippen fester zusammen und sagt mit vor Sarkasmus triefender Stimme:
"........................................................"

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