Ich klopfe zweimal hart und oeffne, ohne eine Antwort abzuwarten, die Tuere zum Rechnerbenutzerbetreuungsreferat (RBBR).
Die B.f.A.f.H. ('Bastard female Ass(i) from Heck') sitzt hinter ihren zwei 20''-TFT-Displays und versucht krampfhaft ueberrascht auszusehen. Sie traegt heute mal ausnahmsweise nicht den ueblichen militaerisch-gruenen Tarnanzug, sondern ein superknappes Khaki-Top und einen so kurzen Minirock, dass er nicht mal als Baby-Serviette herhalten koennte.
"Hi!" sagt die B.f.A.f.H. in ihrem spoettischen unterkuehlten Ton, den sie speziell fuer mich reserviert hat. Eine sorgfaeltig getrimmte Augenbraue bewegt sich leicht nach oben.
Ich sage kein Wort, mache einen grossen Schritt zu ihrem Schreibtisch und beuge mich ueber die Display-Barriere. Mit dem Zeigefinger tippe ich langsam '666' in ihre offene Shell.
Ein Mundwinkel zuckt verraeterisch.
"Was kann das nur bedeuten?" frage ich mit affektierter Stimme.
Die B.f.A.f.H. zieht die Augenbrauen nach oben und schaut mich unschuldig an.
"666? Das kann alles moegliche bedeuten: 999 minus 333, 6 mal 111, 600 plus 60 plus 6, ..."
"Genug!" donnere ich, obwohl ich genau weiss, dass man die B.f.A.f.H. mit Schreien nicht beeindrucken kann. "Heute morgen ruft mich der Studiendekan der Theologie an und beschwert sich ueber - ich zitiere - 'kabbalistisch-satanische Beschoerungsformeln im Computernetzwerk', und dass sich ein Grossteil seiner Studenten weigere, einen Computer auch nur anzufassen, seitdem ihnen JEMAND erzaehlt habe, dass in gewissen
Skripten, die ich geschrieben habe, die Zahl '666' vorkomme. Das Ausfuehren dieser meiner Skripten, so der Dekan weiter, koenne zu einer satanischen Beschwoerung der grossen Hure Babylons und des Tieres fuehren ..."
"Ach?"
"Eine genauere Ueberpruefung diese Bloedsinns - was mich fast eine halbe Stunde meiner kostbaren Zeit gekostet hat - ergab, dass es sich bei den ominoesen Skripten um ganz harmlose Administrationstools handelt, in denen der UNIX-Befehl 'chmod 666 file' vorkommt. Und dass die ganze Aufregung durch eine anonyme email ausgeloest wurde, die ueber einen finnischen Mail-Relayer an die Mailingliste des Departments geschickt wurde."
"Tatsaechlich?"
"Tatsaechlich! Ja!"
"Oh!" sagt die B.f.A.f.H. unschuldig.
Ich stuetze mich mit beiden Haenden auf den Schreibtisch der B.f.A.f.H.
"Mein liebes Kind: Wir hatten eine Abmachung."
Nichts bringt eine selbstbewusste junge Frau schneller auf die Palme, als wenn sie als 'liebes Kind' genannt wird (das war wieder ein kostenloser Tipp, Leute! Aufschreiben!)
"So?" sagt die B.f.A.f.H. mit Null-Kelvin-Stimme.
"Noerdlicher Campus ist dein Territorium, der Sueden gehoert mir. Trennlinie ist das Buero des Kanzlers."
Ich ziehe einen Stadtplan aus der Tasche.
"Und wenn mich meine visuelle Sensorik nicht vollkommen verlassen hat, dann sind die Theologen eindeutig suedlich vom Verwaltungsgebaeude!"
"Aber das Buero des Kanzlers ist nicht im Verwaltungsgebaeude sondern im Philologicum", schnappt die B.f.A.f.H. giftig, "und das liegt suedlicher als das Theologicum!"
"Aha", rufe ich triumphierend, "das heisst also: die email kam tatsaechlich von dir!"
Die B.f.A.f.H. merkt zu spaet, dass sie einen taktischen Fehler begangen hat.
"Dafuer gibt es keinerlei Beweise!" faucht sie.
"Die brauch' ich auch nicht", sage ich ruhig und stecke den Plan wieder weg, "eigentlich bin ich ja auch nur gekommen, um dem RBBR mitzuteilen, dass mich die Hausinspektion mit der Neuzuweisung der Kellerabteile in diesem Gebaeude beauftragt hat."
Die B.f.A.f.H. ist durch den ploetzlichen Themenwechsel momentan verwirrt.
"Hausinspektion? Kellerabteile?"
"Genau!" sage ich sueffisant. "Wenn man sich naemlich die Gebaeudeplaene (www.lmu.de/verwaltung/raumplanung) mal genauer anschaut, sieht man, dass die zugewiesenen Kellerflaechen nicht den Proportionen der Personalstaerke der einzelnen Referate entsprechen, wie es das Bayerische Hochschulbaugesetz, Paragraph 17, Durchfuehrungsverordnung III B vom 12. Januar 1946 vorschreibt."
Panik macht sich im Gesicht der B.f.A.f.H. breit.
"Und deshalb", fahre ich fort, "hat mich der Leiter der Hausinspektion beauftragt, das Problem ein fuer alle mal zu loesen."

Genauer gesagt war der Oberste der Klingonen zu Tode erschrocken, als ich ihn ueber die falsch zugewiesenen Kellerabteile informiert hatte.
"Herr Leisch", flehte er haenderingend, "das ist doch nicht so tragisch. Diese Kellerabteile werden doch kaum genutzt. Eigentlich weiss niemand mehr genau, wer was da unten fuer was benutzt. Da sind doch noch Akten von vor dem Krieg da drunten, und wer weiss was da noch alles rumliegt!"
Bei dem Gedanken allein tritt dem Obersten der Klingonen der Schweiss auf die gefurchte Stirne.
"Und wissen Sie ueberhaupt, wie schwierig es ist, Raumflaechen neu zuzuteilen? Das kann Jahre dauern! Und ... und ... und tonnenweise Schriftverkehr und Protestbriefe an das Rektoratskollegium. Und dann verlangt am Ende noch jemand ein Gutachten ..."
Der Oberste der Klingonen weint fast. Wahrscheinlich leidet seine klingonische Seele schon seit Jahren unter dem Druck der ungeordneten Kellerabteile.
Ich lasse ihn noch ein paar Sekunden schmoren, dann biete ich ihm den ersehnten Ausweg aus der Zwickmuehle:
"Da sie ja so beschaeftigt sind, koennte ich vielleicht ...?"
Der Oberste der Klingonen ist so froh ueber den rettenden Strohhalm, dass er mir sogar noch eine Generalvollmacht fuer alle Belange der Haustechnik im Kellerbereich ausstellt. Die darin enthaltene Befristung auf einen Monat werde ich bei Gelegenheit mit Photoshop weg retuschieren. Der grossen Kellerflaechentombola steht also nichts mehr im Wege! Und um der Sache mehr Schwung zu geben, dehne ich die Aktion auf den gesamten Campus aus.

Als erstes schicke ich an alle mitspielenden Referate und Departments eine informative Mail als Vorwarnung:
So und so! Saemtlich bestehenden Zuordnungen von Kellerraeumen werden mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Bestehende Zuweisungen aufgrund von Berufungsverhandlungen werden per Generalvollmacht fuer nichtig erklaert. Derzeit genutzte Flaechen sind deutlich zu kennzeichnen und der aktuelle Bedarf per Formular #32768 (von Uni-Server downloadbar)
in fuenffacher Ausfertigung bis morgen Mittag an mich einzureichen. Es versteht sich von selbst, dass auf dem Uni-Webserver weit und breit kein Formular #32768 zu finden ist.

Tatsaechlich liegen am naechsten Tag ganze Stapel von phantasievoll gestalteten Formularen in meinem Postfach. Nur die Mediavisten schreiben, dass sie beim besten Willen kein Formular #32768 auf dem Uni-Webserver finden koennen, und was sie denn bitte schoen jetzt machen sollen. Solch ein unkreatives Verhalten ist einem Akademiker nun wirklich nicht angemessen, daher streiche ich sie komplett von der
Liste der potentiellen Kellerraumempfaenger. (Obwohl es andererseits auch wieder eine ungewoehnliche Leistung fuer die Mediavisten war, den Uni-Webserver ueberhaupt zu finden!)

Wie zu erwarten war, ergibt sich aus den Antraegen ein beantragter Kelleraumbedarf, der 12mal groesser ist als die vorhandenen Flaechen. Von Habgier motivierte Verhaltensweisen sind mindestens ebenso zuverlaessig vorhersagbar wie der Ausgang der bayerischen Landtagswahlen.

Ich verbringe zwei glueckliche Tage mit dem Design eines C++-Programms, das in einer Monte-Carlo-Simulation den mittleren Abstand der Umzugsstrecke fuer alle mitspielenden Institute maximiert und eine neue Zuweisung fuer alle Kellerraeume berechnet; ausserdem definiere ich als Eckwerte der Simulation, dass jeder Kellerrauminhalt aus logistischen Gruenden mindestens dreimal umgeschichtet werden muss, und der Keller vom RBBR insgesamt sechsmal.
Mein Programm errechnet eine gesamte Umzugsperiode von dreieinhalb Jahren, wobei die Gesamtstrecke von transportiertem Material ungefaehr der Strecke zwischen Muenchen und Timbuktu und zurueck entspricht.

Ich faxe die logistischen Umzugsplaene - etwas ueber 400 Seiten - an alle mitspielenden Institute und Referate und natuerlich an die ausfuehrenden Organe der Hausinspektion und trete unverzueglich meinen acht-woechigen Sommerurlaub an.


PS: Wenn Du nicht weisst, was der Befehl 'chmod 666 file' bedeutet, dann solltest du mal ein ernstes Wort mit deinem Chef sprechen, ob ihr nicht vielleicht das falsche Betriebssystem benutzt.
PSS: Wenn Dein Chef auch nix damit anfangen kann, solltet ihr vielleicht mal den Chef auswechseln...

Copyright Florian Schiel 2003

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