Ich sah mit meinen exotischen braunen Augen gerade in die blauen Augen meines Bruders und sagte:
"Ja. Das Virus ist von mir."
Er sah mich an, als sei ich ein Gespenst. Beinahe wäre er vom Stuhl gekippt. Da erzählte ich ihm alles. Wie ich den Assi besucht hatte, ihm das Virus untergeschoben, was ich heute vormittag gemacht hatte.
"Im übrigen habe ich vor, mir am Montag freizunehmen und als Soziologiestudentin bei ihm zu erscheinen, die eine Untersuchung über die Arbeitsbedingungen an der Uni macht. Nur um ihn zu überzeugen, dass ich nicht das Abi nachmachen musste... und ihn vielleicht noch ein bisschen mehr ins Chaos zu bringen!"
Noch einen Moment sass Lars-Gunnar da wie versteinert, Entsetzen stand auf seinem Gesicht. Dann brach er urplötzlich in schallendes Lachen aus.
"Lass das bloss sein, Schwesterchen, Viren schreiben und doch so naiv, also nein." Naiv? "Das Chaos liebt er doch über alles! Ich wette, der hat sich ein Loch in den Bauch gefreut, als seine Daten verschwunden sind und ihn plötzlich keiner mehr erreichen konnte! Weil er dann wieder eine Ausrede hat und alles so hindrehen kann, wie er gerne will. Ich wette, Du hast jetzt mit deinem Rachefeldzug die letzten schlüssigen Beweise gegen ihn vernichtet." Jetzt war ich dran mit dem blanken Entsetzen. Aber nach einer kleinen Weile stimmte ich in sein Gelächter mit ein.
Dann gönnten wir uns zur Feier des Tages einen Nachtisch und begannen einen langen Spaziergang. Dabei machten wir Urlaubspläne.
Wenn meine nächsten Programme ein Erfolg würden, würde ich ja zu gern mal nach Togo fliegen. Lars dachte eher an Schweden.
Irgendwie war er geistesabwesend. Er hatte es wohl noch nicht ganz verkraftet, dass seine Schwester Viren schrieb. Aber ich hatte es auch noch nicht verkraftet, dass ich meinem Feind in die Hände gespielt hatte. Selbst wenn es den Anfang meiner Programmierkarriere bedeuten sollte.
"Heut abend kommt übrigens ein guter Film im Kino", sagte Lars-Gunnar, "wollen wir da hin? Du kannst ja wieder dein schickes Afrikakleid anziehen..."


© Copyright 1996 Ruth Stubenitzky

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.