Hallo Leisch!

Klapp, klapp. Können die Leute nicht auf die geistig arbeitende Bevölkerung Rücksicht nehmen? Noch dazu, wo doch ein jeder weiss, dass ich zwischen 9:00 Uhr und 10:30 mich bei meiner morgendlichen Tasse Tee (ja ich weiss, dass es manchmal auch zwei oder drei Tassen sein können) meinen philosophischen Gedanken hinzugeben pflege.
Und habe ich nicht schon mindestens drei Dutzend mal die Anbringung von Gummi zwischen Türblatt und Türrahmen angemahnt? Der Lautstärke nach muss es der Kollege Vogt gewesen sein, welcher da soeben sein Zimmer verlassen hat, da Kollege Vogt das Zimmer direkt neben dem meinen bewohnt. Na gut, sehen wir einmal nach, ob der Kollege Vogt eventuell nur kurz den Raum verlassen hat, um sich dorthin zu begeben, wohin sich auch der Kaiser zu Fuss zu begeben pflegt. In diesem Fall schliesst der Kollege Vogt sein Zimmer nicht ab. "Hier an der Universität arbeiten doch eigentlich nur ehrliche Leute und was gibt es denn auch gross auszuspionieren bei uns." Nun ja, mit dem zweiten Punkt hat der Kollege Vogt eigentlich durchaus recht. Normalerweise hat der Kollege Vogt ja noch einen Zimmergenossen, welcher zur Zeit leider krank ist und daher sein Automobil, welches schon so tief liegt, dass er hier im Osten durch einige Städte nur mit maximal 20 km/h fahren kann, noch ein paar Zentimeter tiefer legt. Dafür ist die Strassenlage dieses Fahrzeuges ausgezeichnet und man könnte theoretisch mit diesem Fahrzeug in einer Stunde Wien erreichen, wenn auf der Autobahn keine Baustellen wären und ausserdem keine Staus und nicht zu viele andere Verkehrsteilnehmer. Also wie gesagt, wenn einige Randbedingungen gegeben wären könnte man mit diesem Fahrzeug in einer Stunde Wien erreichen. Aber zurück zu dem Kollegen Vogt. Ich habe Glück und der Kollege hat das Zimmer nur kurz verlassen, so dass sein Zimmer nicht abgeschlossen ist und ich einige Korrekturen im Terminkalender seines Apple Newton durchführen kann. Die Kollegen sind hier ohnehin alle überlastet, also lösche ich zunächst die Hälfte aller Einträge und verschiebe die anderen so zwischen 60 und 120 Minuten nach vorn oder nach hinten. Termine mit Mitarbeitern legt die Chefin immer so in etwa auf 13:00 Uhr. Der Kollege Vogt geht im Normalfall recht zuverlässig 12:45 Uhr zum Mittagessen, so dass ich einen Termin 13:00 Uhr mit der Chefin hinzufüge. Ich stelle eine Vorwarnzeit von 2 Minuten ein. Ich weiss doch dass die Chefin Ihre Mitarbeiter gern sieht. Des weiteren trage ich an siebzehn Tagen dieses und des kommenden Monats Termine in der Zeit zwischen Mitternacht und 2:00 Uhr ein, schliesslich geht es nicht an, dass die Mitarbeiter die ganze Nacht einfach nur im Bett herumliegen. Weisen nicht Wirtschaftsexperten und Politiker immer wieder darauf hin, dass die Arbeitsproduktivität im Osten durchaus noch nicht das Westniveau erreicht habe? Es ist durchaus nicht so, dass wir dies nicht wüssten. Wie Du siehst arbeiten wir intensiv an der Beseitigung dieses Problems. Es gelingt mir gerade noch rechtzeitig wieder in meinem Zimmer zu verschwinden, bevor der Kollege Vogt wieder sein Zimmer betritt. Klapp, klapp. Eigentlich ist es gar nicht so schlimm mit unseren Türen. Man ist immer gut informiert.

Da es immer ratsam ist die Wirksamkeit der getroffenen Mass- nahmen zu kontrollieren, werde ich mich heute etwas später als gewöhnlich zum Mittagessen begeben, so dass mir noch etwas Zeit bleibt, an dem Y2k-Problem zu arbeiten. Eigentlich habe ich das Problem vollständig im Griff und habe auch alles durch zahlreiche Testläufe geprüft, so dass ich sicherstellen kann, dass am 1.1.2000 auch wirklich das totale Chaos ausbricht.
Einzig und allein unser Solaris 7 System benötigt noch einige Patches, um dem ganzen auch den notwendigen Feinschliff und die rechte Würze zu geben.

Jetzt wird es aber Zeit in die Mensa zu gehen. Ich setze mich an meinen Tisch, welcher immer frei ist, seit sich herum- gesprochen hat, welche Unfälle passieren können, falls man ohne meine besondere Einladung an diesem Tisch sitzt.
Da war zum Beispiel der WiWi-Professor, welcher den Aufzug benutzen wollte, der aber das Pech hatte, dass der Aufzug zwar durch den dezenten Glockenschlag angekündigt wurde und sich die Türen auch öffneten, jedoch dahinter keine Aufzugs- kabine angekommen war. Leider war der gute Mann gerade so in das Gespräch mit einem Kollegen vertieft, dass er in den nicht vorhandenen Aufzug einstieg. Sehr schade ...
Und dann erst die Angestellte von Dezernat für die zentrale Beschaffung, mit der defekten Kaffeemaschine, bei welcher die Heizplatte unter Spannung stand. Ein Konstruktionsfehler. Die Angehörigen waren sehr traurig und depressiv bis die Herstellerfirma wegen der Produkthaftung zahlen musste, was sich therapeutisch sehr günstig auswirkte. Sehr schade ...
Letzten Monat erst ist ein Maschinenbauer umgekommen, welcher an diesem Tisch sass, als er an einer Fräsmaschine arbeitete und dabei auf den Maschinentisch steigen musste. Es kam zu einer bislang noch nicht genau geklärten Fehlfunktion. Dabei steht doch ausdrücklich in den Arbeitsschutzrichtlinien, dass vor solchen Arbeiten der Hauptschalter in die Aus- Stellung zu bringen ist. Die Leute sollten sich wirklich an die Arbeitsschutzrichtlinien halten. Sehr schade ...
Und schon kommt eine unserer Küchenfeen, legt ein weisses Tischtuch auf und bringt Kaninchenleber mit Äpfeln und Zwiebeln, sowie als Sättigungsbeilage Kroketten. (Wer nicht weiss was eine Sättigungsbeilage ist, der mache sich gefälliger Weise kundig. Ich kann schliesslich nichts dafür, wenn Ihr zu spät oder im westlichen Teil Deutschlands geboren worden seid.) Für den nächsten Tag bestelle ich flambierte Ente in Rotweinsauce. Früher kämpfte jeden Tag um die Mittagszeit mein Feinschmeckergaumen gegen meinen Magen. Mein Magen bestand in der Regel darauf, dass ich mich zur Nahrungsaufnahme in die Mensa begeben sollte, was mein Gaumen stets kategorisch ablehnte. Seit ich jedoch den zentralen Server unseres Studentenwerkes unter Kontrolle habe und dort einmal für die Bestellungen der gesammten kommenden Woche jeweils alle kg hinter den Zahlen für die entsprechenden Artikel in Mg umgewandelt habe wird mir hier jeder Wunsch von den Augen abgelesen. Es war einfach toll. Schon um 8:30 Uhr stand am darauf folgenden Montag die gesammte Zufahrtsstrasse zur Universität voller LKW's, welche ihre Waren anliefern wollten. Dazu kommt, dass diese Strasse mit zu den grösseren Strassen der Stadt gehört und auch im Normalfall einen nicht unerheblichen Verkehrsfluss aufweist. Durch diese heldenhafte Tat ist es mir wiedereinmal gelungen, dem Steuerzahler viel Geld zu sparen, denn es gab durch diesen Grossauftrag noch einmal 23 % Rabatt.

Nachdem ich beobachtet habe, wie der Kollege Vogt voller Schrecken von seinem Essen aufgesprungen ist wird es Zeit, dass ich mich in der Werkstatt mit Phasen- und Lastprüfer und einigen Schraubendrehern versehe und in den Keller des Gebäudes unserer Fakultät begebe, in welchem seit einigen Tagen eine Elektroinstallationsfirma Änderungen an den elektrischen Anlagen vornimmt. Die Elektriker haben sich natürlich ausgiebig über Ihr neues Einsatzgebiet informiert und wissen daher, dass man nach dem Mittagessen nicht sofort wieder in die Arbeit stürzen kann, sondern dass man eine Stunde zum Kaffeetrinken und Erfahrungsaustausch mit den Kollegen, was in diesem Fall die Elektriker aus der Elektrowerkstatt der Fakultät sind, einlegt.
Schliesslich müssen die kreativen Gedanken einige Zeit haben um sich zu entwickeln und reifen zu können. Schlösser sind ohnehin nur dazu da, um Diebe fernzuhalten. Aber welcher Dieb möchte schon eine 1000 A Verteilerschiene mit sich herumtragen?
Und im Haushalt ist derartiges auch eher weniger zu gebrauchen. Also kann ich ganz in Ruhe einige Verschlimmbesserungen vornehmen. Unser SGI-Pool ist schon ziemlich in die Jahre gekommen und die Maschinen schnaufen nur so vor sich hin. Geld für neue Technik ist natürlich nicht da, denn (sicher hast Du es schon geahnt) unser Wissenschaftsminister hat kein Geld und muss sparen. Also habe ich mir gedacht, dass ein Motor sich ja um so schneller dreht, je höher die an ihn angelegte Spannung ist. Das müsste doch auch für die Computer gelten. Und das probiere ich jetzt aus. Der Pool ist zur Zeit abgeschaltet, weil, wie ich schon sagte, die elektrische Anlage in Arbeit ist. Durch Umklemmen von zwei Drähten sorge ich dafür, dass die Maschienen in Zukunft mit 220 Volt statt mit 380 Volt betrieben werden. Auf irgendwelche blödsinnigen Schutzmechanismen, wie USV's, die meinen Versuch verhindern könnten, hat man damals bei der Einrichtung des Pools aus Kostengründen glücklicherweise verzichtet. Da wir einmal dabei sind, vertausche ich gleich noch jeweils zwei der drei Phasen der Motoren für unsere insgesammt vier Aufzüge, welche sich zu je zwei Stück, wie sicherlich erinnerlich, jeweils am vorderen bzw. hinteren Ende unseres Gebäudes befinden. (Zwei Aufzüge mit und zwei Aufzüge ohne Relaissteuerung.) Nachdem ich die Werkzeuge wieder an Ihren Platz zurück gebracht habe, gehe ich in unseren Pool und schalte alle Monitore und Maschinen ein. Nach etwa zwei Stunden wird die Spannung wieder zugeschaltet. Leider meldet sich schon nach exakt 93 Sekunden die Sicherung. Schade. War wohl nichts mit dem Turbo für unsere SGI's. Ich gehe hinunter zu den Elektrikern und berichte von dem Fehler. Nach kurzer Zeit finden diese den Fehler. "Werner, hab ich Dir nicht gesagt, dass Du an dem Strang besonders aufpassen sollst und vor allem noch einmal KONTROLLIEREN!" sagt der Meister. "Na hoffentlich ist nichts kaputt gegangen. Da wollen wir gleich einmal sehen. Was ist den im Raum 205."
"Oh," sage ich sorgenvoll "das ist der SGI-Pool."
"Der was?"
"Der SGI-Pool. Das sind Workstations, also besonders schnelle Rechner."
"Oje."
Zehn Minuten später steht fest, dass der SGI-Pool komplett zum Teufel ist. Die Chefin wird sich freuen. Auf diese Weise kriegen wir ohne Belastung irgendwelcher Etats einen neuen Pool, auch wenn es wohl nicht für einen SGI-Pool reichen wird. Na und der Wissenschaftsminister erst. Der muss den Steuerzahler nicht damit belasten. Ich sollte mich in aller Bescheidenheit für den Titel "Retter der Deutschen Nation" vorschlagen.

Mit höllischen Grüssen



Bastard Administrator des Hades





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DISCLAIMER:
Auch wenn Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und Universitäten der Bundesrepublik Deutschland nicht auszuschliessen sind, so hoffe ich doch, dass meine Darstellungen so sind, dass Aussenstehende diese Personen und die Universität nicht erkennen. Sollten diese Personen oder die Universität erkannt werden, so wird jeder gebildete Mensch hoffentlich erkennen, dass dies Darstellung schon so stark übertrieben ist, dass sie mit der Wirklichkeit nur noch sehr wenig gemein hat.