"Also", sage ich mit gefurchter Stirne und nehme ein paar Unterlagen zur Hand,
"Sie sind Herr Muxeneder von der Firma 'Superfax' und haben ihr neustes Modell 'SMM 1313' hier mitgebracht..."
Der vierschrötige Mann im Salz-und-Pfeffer-Anzug nickt finster und wirft einen giftigen Blick auf seinen Nebenmann.
"... und Sie", wende ich mich an diesen, "sind Herr Redenexum von der Firma 'Gigafax' und haben ebenfalls ihr neuestes und bestes Modell mitgebracht, das... äh, Moment... 'AIE 9907'..."
"Ganz recht" bestätigt der lange schlaksige Vertreter und sein prominenter Adamsapfel hüpft. Dann schaltet er sein geschultes Verkäuferlächeln eine Stufe höher auf 'Osram 15' und legt seine rechte Hand zärtlich auf das Vorführgerät, das vor mir aufgebaut ist.
"Gut", sage ich. "Wie Sie beide wissen, möchte der LEERstuhl ein neues Faxgerät für das Sekretariat erwerben, und ich wurde mit der Beschaffung beauftragt."
Das stimmt zwar überhaupt nicht - Frau Bezelmann würde sich niemals ins Zeug reden lassen, wenn es um Neuanschaffungen geht - aber mir ist langweilig, und ich habe es gern, wenn Leute in meinem Büro streiten.
"Es versteht sich von selbst", fahre ich fort, "dass wir als technisch orientiertes Institut nur das beste und teuerste erwerben werden, was es zur Zeit auf dem Markt gibt. Um die langweilige Sache etwas zu beleben, habe ich Sie beide gleichzeitig zu einer Demonstration hierhergebeten."
Beide Vertreter holen tief Luft und setzen zum Sprechen an, aber ich hebe rechtzeitig den Zeigefinger.
"Moment noch! Ich glaube, wir können den ganzen üblichen Standardschmarrn getrost überspringen. Ich glaube Ihnen unbesehen, dass Ihre Geräte Faxe senden und empfangen können, dass sie Faxe im voraus speichern und empfangen können, wenn kein Papier mehr da ist. Da die Modelle ihrer Firmen sich sowieso weitgehend ähnlich sind - auch äusserlich - möchte ich Sie beide bitten, mir die wirklich aussergewöhnlichen Features zu zeigen. Sie müssen mich überzeugen, dass Ihr Gerät beim selben Preis einfach mehr zu bieten hat, als die Konkurrenz. Ich schlage vor wir fangen bei Ihnen an."
Ich deute auf Herrn Muxeneder.
"Unser SMM 1313", hebt dieser salbungsvoll an, "SMM steht übrigens für 'Simple Minded Model' und soll die einfache Bedienbarkeit unterstreichen - unser Modell kann 32 Nummern direkt und 99 Nummern indirekt anwählen..."
Sein Konkurrent schnaubt verächtlich:
"Das AIE 9907 hat sogar 999 Speicherstellen, die BELIEBIG auf Direktwahl, Zielwahl oder andere Makrofunktionen programmiert werden können. Ausserdem hat es eine 'Artificial Intelligenz Energy' Funktion. Das heisst, es merkt SELBSTTÄTIG, wann es am günstigsten Strom sparen kann..."
Herr Muxeneder gibt einen kurzen Lacher von sich:
"Dafür muss man dann fast 44 Sekunden lang warten, bis das Ding aus seiner 'Artificial Intelligence Energy'-Starre wieder erwacht! Unser Modell dagegen hat einen integrierten Annäherungssensor, der sofort eine 'Turbo-Warm-Up-Phase' einleitet, sobald jemand nur den Raum betritt..."
"Und dafür muss man sich dann den ganzen Tag das infernalische Quietschen Ihres Geräts anhören", kontert Redenexum. "Na, ich danke!"
Muxeneder ist beleidigt und schaltet sein SMM 1313 ein, um uns zu beweisen, dass es 'sanft wie ein Kätzchen schnurrt'. Während das Ding sich hartnäckig weigert, hochzufahren, fährt Redenexum fort, mir die Vorzüge seiner AIE anzupreisen:
"... hat eine menu-geführte Bedienung über das integrierte LCD-Display, ist voll netzfähig, kann mit allen gängigen Rechnern kommunizieren..."
Ich deute auf einen alten schnaufenden 286 in der Ecke, den ich normalerweise nur dazu verwende, meinen Kaffee warm zu halten, und sage:
"Na, dann mal los! Drucken Sie von dem aus mal ein Dokument."
Redenexum betrachtet sorgenvoll den Haufen Schrott und beginnt in seiner Aktentasche nach passenden Kabeln zu kramen.
Inzwischen hat Muxeneder seinen Fax-Boliden endlich zum Leben erwecken können, und das Ding schnurrt tatsächlich - allerdings wie ein ausgewachsener sibirischer Tiger, den man 4 Wochen nicht gefüttert hat.
"Das sind nur die Lager am Anfang", versichert mir Muxeneder mit blauem Augenaufschlag, "die schleifen sich bald ein. Sehen Sie hier: alle Funktionen können über 6-stellige Codes direkt gesteuert werden, so dass Sie sich nicht immer durch hundert Menu-Ebenen quälen müssen wie bei dem Modell meines... äh... Kollegen..."
Der 'Kollege', der gerade unter dem Tisch feststeckt und verzweifelt den Druckerport sucht, schnaubt verächtlich. Vielleicht sollte ich ihm sagen, dass mein Kaffeewarmhalter keinen Druckerport hat, weil ich die serielle Schnittstelle schon vor Jahren für die Steuerung unserer ISDN-Anlage missbraucht hatte.
Ungerührt fährt Muxeneder fort:
"Und hier ein ganz besonderes Feature: Wenn Sie hier drücken..."
Das Gerät gibt noch ein schwaches Rülpsen von sich und alle Lämpchen erlöschen.
"Wwwwas ist den jetzt schon wieder los?" stottert Muxeneder. Das 'schon wieder' ist ihm einfach so rausgerutscht. Der gute Mann kann noch nicht sehr lange im Geschäft sein...
"Sehr beeindruckend", sage ich so sarkastisch wie möglich. "War das jetzt die 'Super-Turbo-Stromsparschaltung'?"
Muxeneder beschnüffelt verzweifelt sein SMM 1313 von allen Seiten. Dann entdeckt er, dass die Netzleitung nicht mehr in der Dose ist. Mit einem Aufschrei stürzt er sich auf Redenexum, der gerade ächzend unter dem Tisch hervorkommt:
"Sie!!! So etwas Unfaires ist mir ja noch nie untergekommen! Der Kerl hat mein SMM 1313 sabotiert!!!"
Das stimmt nicht ganz. Genaugenommen war ich es mit einem praktisch unsichtbaren Nylonfaden, den ich vorher in die Steckdose plaziert hatte. Der empörte Muxeneder ist knallrot im Gesicht und schüttelt seinen Konkurrenten heftig an den Aufschlägen. Dieser versucht verzweifelt, sein Gleichgewicht wiederzufinden und hält sich ausgerechnet an seinem eigenen AIE 9907 fest. Dabei gerät er auf eine Tastenkombination, die irgendwelche sadistischen Entwicklungsingenieure eingebaut haben, damit sie auch mal was zu lachen haben, und das Gerät fängt an, im Turbobetrieb seinen gesamten Toner auszustossen. Ich flüchte mich auf den Gang und beobachte aus sicherer Entfernung die weitere Entwicklung. Immerhin bringt der umherdampfende Toner sofort die Handgreiflichkeiten zum Stillstand. Es gibt nichts Schlimmeres für einen Vertreter als ein Fleck auf der Micky-Mouse-Seidenkravatte, es denn zwei Flecken.
Ich schicke Frau Bezelmann mit den Staubsauger vor, und ein paar Minuten später ist mein Büro wieder zu betreten.
"Meine Herren", sage ich, nachdem die Ordnung einigermassen wiederhergestellt ist, "so kommen wir doch nicht weiter. Wenn Sie mich zum Kauf überzeugen wollen, müssen mir schon ein paar Features zeigen, die wirklich aussergewöhnlich sind für ein Faxgerät..."
Redenexum sagt schnaufend: "Unser AIE 9907 hat alle marktüblichen Funktionen, darüberhinaus ist es voll programmierbar, sogar sämtliche akustischen Signale sind frei wählbar, vom einfachen Beep bis hin zu den ersten 8 Takten von Beethovens Fünfter..."
Muxeneder lacht hämisch: "Daran sieht man sofort, wie veraltet Ihr Gerät schon wieder ist. Unser SMM 1313 hat 346 Ever-Greens fest gespeichert, per Potpourri-Funktion wird bei jeden erfolgreich gesendeten Fax ein Schlager ausgewählt und in HiFi-Qualität über die zwei integrierten Sound-Systeme wiedergegeben..."
"Ja, olle Kamellen, die schon in der Steinzeit auf den Hitlisten waren",
zischt Redenexum böse. "Dafür hat unser Gerät die Option, über das Internet die neuesten Techno-Hits herunterzuladen, alternativ kann es auch die neuesten Witze im Netz aufspüren und vorlesen, zum Beispiel die neuesten Clinton-Witze. Kennen Sie zum Beispiel den schon..."
"Unser Gerät kann dafür eine Haushaltsübersicht führen", kreischt Muxeneder mit verzerrtem Gesicht dazwischen, "Hilfe bei ärztlichen Notfällen geben und Horoskope stellen..."
"...wobei sich die Prognosen jeden zweiten Monat wiederholen, weil man bei Ihrem Gerät an Speicher gespart hat", ergänzt Redenexum genüsslich. "Das Problem hat unser AIE nicht, weil es serienmässig mit einem 6,3 GB Plattenlaufwerk kommt. Sämtliche Werke Shakespeares, die Bibel und alle Jahrgänge der grössten deutschen Tageszeitungen bis 1963 sind darin gespeichert..."
"Dafür muss man erst ein 7,4 cm dickes Manual studieren, bevor man auch nur an einen Artikel davon kommt", zischt Muxeneder böse. "Mein Gerät hier dagegen hat die pädagogischen und dialektischen Fähigkeiten eines durchschnittlichen deutschen Hochschul-Professors gespeichert..."
"Wobei das nicht viel heissen muss!" giftet Redenexum.
"... und ist nicht nur in der Lage, in allen Funktionen des Geräts zu unterweisen, sondern kann auch Vorträge über Psychiatrie, angewandte forensische Medizin und hyperboräische Flaxen-Philisophie abhalten..."
Redenexum faucht böse und gibt seinem Konkurrenten einen Stoss vor die Brust, so dass dieser an die Wand zurücktaumelt. Dann packt er mich links und recht an meinen Schultern und brüllt mir ins Gesicht:
"Und wer, frage ich Sie, interessiert sich schon für hyperboräische Flaxen-Philisophie?! Unnötiger Schmarrn! Unser AIE 9907 kann dagegen Babies sitten und Telefonanrufe abwimmeln. Das sind praktische Eigenschaften! Die Anrufer merken nicht mal, dass sie von einer Maschine abgewimmelt werden, weil das SMM... Schmarrn!.. das AIE Ihre Stimme perfekt simulieren kann.
Muxeneder, der sich immer noch von Boden aufrappelt, brüllt wütend dazwischen:
"Im nächsten Upgrade unseres SMM, das übrigens im Preis schon enthalten ist, wird eine vollständige Ausgabe aller StarTreck-Episoden in 24 Sprachen mit Kreuz-Indizierung gespeichert sein. Die Wiedergabe erfolgt entweder über das eingebaute 17 Zoll LCD-Display oder über einen optionalen Breitwand-Beamer...."
Redenexum bemerkt das gefährliche Zucken in meinen Augenwinkeln, als das Wort StarTreck fällt, und geht sofort zum Gegenangriff über. Mit einem Wutschrei, der einem zentralafrikanischen Blau-Po-Pavian alle Ehre gemacht hätte, stürzt er sich auf Muxeneder und schafft es nach heftigem Gerangel, dessen Arme auf den Rücken zu biegen und ihm seine eigene Micky-Mouse-Kravatte in den Mund zu stopfen.
"Wenn Sie bei mir kaufen", keucht er, "bekommen Sie 35% Nachlass und zwei Freuflüge nach Dom Rep!"
"MmmMmMmMm!"
"Freuflüge oder Freiflüge?" frage ich.
"Wie Sie wollen! Aber kaufen Sie!"
"MMMMMMMM!"
"Ich weiss nicht...", sage ich unschlüssig, "eigentlich hatte ich mir was ganz anderes vorgestellt. So was mit am besten nur einem Knopf, wissen Sie.
Unsere Mitarbeiter sind ja soooo ungeschickt, müssen Sie wissen. Am besten wäre so ein Gerät aus der guten alten Zeit mit einem Knopf, wo senden draufsteht. Wählen kann man ja auch mit dem angeschlossenen Telefon, nicht?"
Beide Vertreter starren mich mit blutunterlaufenen und vorquellenden Augen an und sagen das erste Mal überhaupt nix.
"Also, ich werd's mir überlegen", sage ich ermunternd, "Sie bekommen dann von uns Bescheid..."
Damit schlendere ich aus meinem Zimmer und schliesse diskret die Türe hinter mir. Kurz vorher sehe ich noch dass Redenexum Muxeneder kräftig in den Finger beisst, und dieser mit einem brutalen Tritt vors Schienbein kontert.
Ich sag's ja immer: was täten wir ohne die freie Marktwirtschaft. Diese unverschämten Vertriebsleute würden einen ja glatt über den Tisch ziehen...
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