Unsere neue Tiefgarage birgt ungeahnte Möglichkeiten! Zuerst war ich ja stinksauer, weil ich meinen mintgrünen Mustang monatelang auf den heiß umkämpften Parkplätzen rund um die Uni unterbringen musste. Bei der Gelegenheit habe ich übrigens die PDNA ('Parkscheibe-die-niemals-abläuft'; patent pending) erfunden: ein simples Quarzlaufwerk hinter einer normalen ADAC-Parkscheibe verwandelt einen Halbe-Stunde-Parkzonenplatz in einen kostenfreien Dauerstellplatz.

Aber jetzt ist die neue Parkgarage endlich fertig, sogar schon offiziell von Staatssekretär P. eingeweiht (dass bei der Einweihung dummerweise die Sprinkleranlage ausgelöst wurde, lag ausnahmsweise nicht an mir, sondern an den ganzen Kettenrauchern in der Staatssekretärsdelegation!).

Ich brauchte keine zwei Stunden um herauszufinden, dass alle Funktionen/Sensoren/Tore/Schranken von einem zentralen WinNT-Rechner gesteuert werden, der auch noch über meinen Switch(!) im Erdgeschoss vernetzt ist. Die Deppen von der Installationsfirma haben sogar noch höflich bei mir angefragt, ob sie den Port auch verwenden dürften!

Ich schicke ein bewährtes Buffer-Overflow-TCP/IP an die NT-Kiste und die macht sich erwartungsgemäß in die Hose. Bei Hochkommen schlüpfe ich in den Administrator-Account und schaue mich erstmal um.

Auch die ganzen Chipkarten-Besitzer sind namentlich gespeichert. Bestens!

Ich schreibe erstmal ein schickes kleines Skript, das jeweils dem Theologen die Ausfahrt verweigert, der zum aktuellen Datum seinen Namenstag hat. Da kann er dann in der Tiefgarage feiern! Bin gespannt, ob die jemals die theologische Komponente dieses Gags herausfinden!

Bei den Physikern koppele ich nach kurzem Überlegen die Ein- und Ausfahrts-Wahrscheinlichkeit an den aktuellen Niederschlagsbericht von www.wetteronline.de. Je höher die Niederschlagswahrscheinlichkeit desto geringer ist umgekehrt die Chance in die Tiefgarage 'reinzukommen.

Den ganzen Verwaltungsangestellten verpasse ich vorerst mal nur Fahrrad-Rechte, das heißt, dass zwar die Tore aufgehen, nicht aber die Schranken. Bin mal gespannt, wie viele von denen zu spät merken, das die Schranke noch unten ist, wenn sie mit ihren gewienerten Karossen die Rampe herauf schießen.

Aber das Beste sind die neuen Feuertore, die lassen sich nämlich per Softwarebefehl auf und zu rollen. Ich verbringe einen glücklichen Nachmittag damit, ein Programm zu schreiben, dass für jeden Werktag eine neue Labyrinth-Kombinationen errechnet, nach denen die Autofahrer wieder aus der Tiefgarage herauskommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis mal einem nach stundenlanger Suche der Sprit ausgeht, und mit ein bisschen Glück blockiert er dann gerade eine wichtige Rampe ... wie gesagt, die neue Tiefgarage ist eine Goldgrube!

Auf dem Weg zur Kaffeemaschine treffe ich den Kollegen O. am Netzdrucker, wie er zweifelnd einen Ausdruck betrachtet. Auf meine Frage hin sagt er kopfschüttelnd:
"Ich muss doch morgen zum Projekt-Meeting von SCHWAFEL nach Osnabrück fahren. Jetzt hab' ich schon mit zwei verschiedenen Routenplanern die Strecke berechnet, aber beide führen mich über Berlin?! Das kann doch nicht sein!"

"Wahrscheinlich hast du nicht die kürzeste sondern die schnellste Strecke berechnen lassen", sage ich unschuldig. "Vielleicht sind auf den normalen Strecken überall Urlauberstaus oder Baustellen oder was weiß ich was ..."

Ich werd' ihm ja nicht gleich auf die Nase binden, dass ich bei sämtlichen Routenplanern am LEERstuhl ein Minuszeichen in die Streckenminimierung eingefügt habe!

"Aber ...", beginnt der Kollege O.
"ICH würde das mal lieber glauben", sage ich ernsthaft, "diese Programme sind schon verdammt clever."

Der Kollege O. schaut skeptisch.

"Das letzte Mal, als mein Börsen-Prognostiker den Crash vorausgesagt hat, habt ihr's auch alle erst nicht glauben wollen", sage ich, und der Kollege O. muss zögernd zugeben, dass da was dran sei. Dass der Crash von mir selber ausgelöst wurde, ist zum Glück niemals herausgekommen.

Ich stelle mir bildhaft vor, wie er morgen auf der grauenhaften Strecke nach Berlin düst, und muss alle Energie aufbringen, ein ernsthaftes Gesicht zu bewahren.

Als ich zurück in mein Allerheiligstes komme, klingelt gerade das Telefon. Und weil der Kollege O. mich aufgeheitert hat, warte ich nicht, bis der Anruf automatisch an das Sekretariat des Rektors weitergeleitet wird, sondern hebe ab.

"Leisch, hallo?"

"Ja ... ahm ... hallo. Mein Name ist Taylor von der Firma Soundso."

Beides, der Name der Firma und die Stimme mit dem leichten amerikanischen Akzent, kommen mir vage bekannt vor.

"Ja?" frage ich vorsichtig.

"Ich ... ahm ... meine Firma hat vor zwei Monaten die Torsteuerung in der Tiefgarage in der Dingsbumsstrasse installiert ... ahm ... Sie waren damals so freundlich, mir einen Netzwerkport fuer unseren Steuerungsrechner zur Verfügung zu stellen ... daher habe ich noch Ihre Telefonnummer ..."

Was wieder mal beweist, dass man grundsätzlich nur falsche Telefonnummern hinterlassen sollte (den Tipp solltet ihr euch aufschreiben!).

"Und?" frage ich zurückhaltend.

Mr. Taylor erläutert mir umständlich und mit vielen 'ahms', dass sie leider den Verdacht hätten, auf dem Steuerungsrechner sei es zu einem unauthorisierten Zugriff gekommen.

Das sei ja ungeheuerlich, sage ich empört, und warum er dann bei mir anrufen würde: "Da sind doch vermutlich die Netzwerkleute vom Rechenzentrum der Uni zuständig."

"Ja ... ahm ... mit denen habe ich schon telefoniert", sagt Mr. Taylor. "Die haben gesagt, eine Firewall sei aus technischen Gründen leider nicht möglich. Aber ich solle mich doch an Sie wenden. Sie hätten die meiste Erfahrung mit solchen Fällen ..."

Gut dass es noch keine Bildtelefone gibt. Dann müsste ich dauernd aufpassen, dass man mein diabolisches Grinsen nicht sieht. Ich könnte die Netzwerkfuzzies in Rechenzentrum küssen!

"Ja, hmm", sage ich langsam, damit es so klingt, als würde ich tatsächlich nach einer Lösung suchen. "Am besten wäre es wohl, wir setzen ihren Steuerungsrechner hinter eine VF."

"Ahm ... wie bitte? Eine VF?"

"Ja, ja, eine Virtuelle Firewall ... Sie wissen schon, die neue sub-konditionierte Packet-Re-Routing Methode im sogenannten Stealth-Layer des modifizierten ISO-Schichtenmodells ..."

Genau drei Sekunden Funkstille. Dann:

"Ahm ... ach so, ja genau. Natürlich. Eine ... ahm ... VF ..."

Mit anderen Worten: BULLSHIT ENGINEERING MODE ON

Viele Bastard-Fans bombardieren mich mit Leserbriefen und fragen, was denn da genau passiere, wenn ich so etwas hinschreibe. Deshalb werde ich diesmal den Vorgang ausnahmsweise etwas genauer erläutern:

Das Sprachverarbeitungsmodul des guten Mr. Taylor hat einen deutlich artikulierten und syntaktisch einwandfreien Satz empfangen, der nach allem was der Rest des Großhirns zu bieten hat, weniger als gar keinen Sinn macht, aber überzeugend wie StarTrek-TechTalk klingt. Jedes menschliche Gehirn (selbst das der sogenannten Irren, die wir lieber wegzusperren pflegen) versucht, Input-Daten zu rationalisieren - wenn es sein muss, mit Gewalt (nur so ist übrigens zu erklären, dass George Bush immer noch im Amt ist). Das Großhirn hält also zunächst Rücksprache mit dem Sprachverarbeitungsmodul, ob es sich vielleicht um eine Fehlerkennung handeln könne. So was komme ja schließlich vor, besonders am Telefon, nicht wahr? Das Sprachverarbeitungsmodul weist beleidigt auf seine langjährige Erfahrung im Dekodieren von Telefonsprache hin und verbittet sich jegliche Unterstellung, es liefere schlampige oder gar falsche Ergebnisse. Dem Großhirn bleibt also nichts anderes übrig, als alle noch verbleibenden rationalen Möglichkeiten einer kritischen Bewertung zu unterziehen, als da sind: der Gesprächspartner ist eine Halluzination, ich bin eine Halluzination, das Ganze ist nur ein böser Traum oder .... der Gesprächspartner ist mir technisch haushoch überlegen. Da die meisten Großhirne notorisch an mangelnden Selbstbewusstsein leiden

(das liegt daran, dass sie zu oft McGuiver oder BayWatch gesehen haben), entscheidet sich das Großhirn natürlich für die letzte Möglichkeit. Die Großhirnrinde des guten Mr. Taylor hat sich selbst also davon überzeugt, dass ich ihm um mindestens fünf Größenordnungen technologisch überlegen bin. Daher könnte ich ihm jetzt praktisch alles erzählen, und es würde nicht mal mehr durch den semantischen Plausibilitäts-Filter laufen, weil der einfach abgeschaltet hat.

Das Ganze nenne ich 'BULLSHIT ENGINEERING MODE', und es passiert in den drei Sekunden, die ich oben erwähnt hatte.

Ich sage: "Ja, also: ich route ganz einfach alle Pakete zu Ihrem Steuerungscomputer vorher durch unseren Server hier und schick Ihnen dann sofort eine Email, wenn auf irgendwelche komischen Ports zugegriffen wird."

"Ahm .. ah ... gut. Sehr gut!"

"Kein Problem! Hmm. Eigentlich wäre es bei dem Aufwand effizienter, wenn ich gleich noch ein paar mehr Rechner hinter die VF nehme. Haben Sie denn noch andere Rechner auf dem Campus laufen?"

"Ja ... ahm ... prima! Das wäre ganz prima ..."

Er gibt mir, ohne mit der Wimper zucken, die IP-Adressen von drei weiteren Tiefgaragen-Rechnern!

Ich würde sagen, die nächste Woche ist gerettet!

Copyright Florian Schiel 2003

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